Kurt Ostbahn - Schneeblind
hatte.
»Richtig, Doc«, sage ich. »Ich bin rüber auf die andere Straßenseite und hab mir angesehen, von wo aus man die D&G-Boutique in der im Fax beschriebenen Art und Weise vom Wohnzimmerfenster aus beobachten kann. Ergebnis: vom ersten und zweiten Stock der Häuser Schönbrunner Straße 56 und 58.«
»Und dann bist du rein, rauf in den ersten und zweiten Stock, und hast alle Leute mit straßenseitigen Wohnungen rausgeklingelt, bis du schließlich dem Kreuzschinder gegenübergestanden bist, der eine Kreuzung aus Docs Analyse und Noras Beschreibung ist und sich von dir zu einem umfassenden Geständnis überreden ließ. Fall Kreuzschinder gelöst. Akte geschlossen. Rauchpause. Gemma auf ein Bier«, sagt der Trainer. Manchmal findet er es lustig, die Bemühungen und Anstrengungen anderer grundlos lächerlich zu machen. An solchen Tagen sollte man ihm besser aus dem Weg gehen. Oder mit einer Retourkutsche auffahren. Wie das der Doc soeben tut:
»Danke, Trainer, für deinen konstruktiven Beitrag. Da diese Wortmeldung so ziemlich das einzige war, das du heute an Erhellendem zur Lösung unseres Problems beigetragen hast, würde ich dich dringend bitten, den Ausführungen unseres Freundes Kurt von nun an schweigend zu folgen!«
»Eh«, sagt der Trainer und trinkt weiter Cola light.
»Ich hab mir das so vorgestellt«, sage ich zum Doc. »Wir unternehmen die Begehung der beiden Mietshäuser gegenüber der Boutique nicht live, sondern mit deinem Computer. Das ist die Liste der Mieter, die Ziffern hinter den Namen sind Stiege, Stock und Türnummer.«
Ich überreiche dem Doc eine Taxiquittung und die gestrige Rechnung vom Gasthaus Quell, auf deren Rückseite ich sämtliche Daten notiert hab.
Beide Mietshäuser wurden erst neulich renoviert und verfügen über eine Gegensprechanlage, neu installiert von der Firma »Heidenreich & Söhne«. Daß die Namensschilder neben den Klingelknöpfen auf dem aktuellen Stand sind, entnahm ich der Tatsache, daß sie alle auf »Heidenreich & Söhne«-Geschäftspapier gedruckt sind, in eleganter Zierschrift und mit den nützlichen Informationen über die Lage der Wohnung.
Keines der Schilder lautet auf den Namen Kreuzschinder. Wär auch eine allzu leichte Übung. Aber auch kein Kreuzinger, Kreuzlechner, Kreuzgschwandtner oder Kreuzberger. Kein Kreuz weit und breit.
Aber auch diesen Service hab ich von Kreuzschinder nicht erwartet.
Der Doc rollt auf seinem Arbeitssessel an sein Cockpit, das er seit meinem letzten Besuch vor einem halben Jahr deutlich aufgerüstet hat. Ich schätze, die Rechner, Monitore, Scanner, Drucker, Modems und sonstigen blinkenden, modisch-elegant gestylten Kasteln, die hier beim Doc in der Kirchengasse stehen, machen den halben Jahresumsatz der Firma Apple Macintosh in Wien und Umgebung aus.
»Kluge Entscheidung, Kreuzschinder nicht frontal und ohne Fakten anzugehen«, lobt der Doc und überfliegt meine beiden Listen. »Du weißt, was das bedeutet, Kurt?«
»Viel Arbeit«, vermute ich.
»Verdammt viel Arbeit«, nickt der Doc. Dann klappert er auf diversen Tastaturen diverser Computer. Internet-Seiten kommen und gehen wieder, Tabellen mit kryptischen Buchstaben- und Zahlenkombinationen rollen ab, E-Mails trudeln ein und schwirren los.
»Vielleicht«, flüstert der Trainer und beugt sich zu mir herüber, »vielleicht sollten wir den Doc ungestört arbeiten lassen und einstweilen doch schnell auf ein Bier gehen?«
»Um dabei was zu tun, Trainer?« frage ich leise zurück.
»Na, einen Tschik rauchen, zum Beispiel.«
17
NACHOS.
Wir landen beim Mexikaner, gleich ein paar Häuser weiter in Richtung Burggasse.
Der Trainer bestellt einen Topf Guacamole, die nach viel »Sol« oder »Corona« verlangt. Und er raucht seine Smart sogar während des Nachos-Naschens.
Außerdem will er ganz genau wissen, wie es bei Noras morgendlichem Hausbesuch gelaufen ist, was ich von ihr halte und ob ich die Idee grundsätzlich gut fände, in der Meidlinger Mansarde ein Abendessen zu dritt zu veranstalten - nur Nora, der Trainer und ich. Er würde aufkochen, und ich müßte mich um den Wein kümmern, denn davon versteht er nix. Bei und nach einem gemütlichen Abendessen, spekuliert der Trainer, ließen sich eventuell die vielen Fragen klären, die bei meinem Frühstück mit Nora gar nicht zur Sprache gekommen sind. Fragen nach ihren näheren Lebensumständen etwa, oder wieso er, was ihre Person betrifft, sozusagen befangen ist.
»Gute Idee«, sage ich, »aber erst
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