Kurtisanen leben gefaehrlich
Beatrice Santi in die Zukunft dachte. Ich hatte niemals zuvor ernsthaft in Betracht gezogen, als Ehefrau an Andrea Lucas Seite zu leben, ganz zu schweigen davon, dass wir Kinder haben würden. Schließlich war ich weiterhin eine Kurtisane in den Augen der Gesellschaft und dies würde sich niemals ändern. Was wusste Beatrice Santi, das mir verborgen blieb?
Ich rutschte unbehaglich auf meinem Platz umher und blickte intensiv auf den weichen Teppich, während die Artista mich aufmerksam beobachtete und sich ihre Augen förmlich in meine Haut brannten. Nachdem ich mich gesammelt hatte, richtete ich meinen Blick zu ihr hinauf und wagte es, jene Frage zu formulieren, die mir schon lange auf der Seele lag.
»Ich habe niemals erwartet, mein Leben an der Seite Andrea Lucas verbringen zu können. Doch sagt mir, Signora, in welcher Beziehung steht Ihr zu ihm? Welches Interesse habt Ihr an einem Santorini, wenn Ihr seine Familie doch hassen müsst?«
Zu meinem Erstaunen lachte die Artista laut auf und beugte sich zum Tisch hinab, um Wein in einen der beiden Kelche zu gießen. Die blutrote Flüssigkeit floss schwerfällig aus dem kristallenen Gefäß und leuchtete im späten Licht der Sonne auf. Dann vollzog sie das gleiche Ritual mit meinem Kelch und reichte ihn mir über den Tisch hinweg. Ohne darüber nachzudenken, nahm ich das schwere Kristall entgegen und unterdrückte ein Schaudern über die Farbe des Weines. Dann wandte ich mich zu Beatrice Santi um, in deren Augen vergnügte Lichter tanzten.
»Er hat dir also noch nichts davon erzählt? Nun, dann wird er es sicher tun, wenn ihr euch das nächste Mal begegnet. Es obliegt ihm, diese Geschichte zu erzählen, wenn die Zeit gekommen ist.«
Wütend funkelte ich die Artista an und setzte den Kelch an die Lippen, dabei vollkommen meine übliche Vorsicht vergessend. Ihre Augen ruhten kalt auf mir.
Ich schluckte eine zornige Entgegnung mit der süßen Flüssigkeit hinunter und versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Es lag nicht in meiner Absicht, die Artista gegen mich aufzubringen, solange ich ihr Haus nicht verlassen konnte. Auch Beatrice nippte an ihrem Kelch und lehnte sich dann zufrieden zurück.
»Es mag dir nicht gefallen, aber dennoch werde ich dich einige grundsätzliche Dinge lehren. Ich kann es nicht zulassen, dass du Andrea Luca verletzt, indem du deine Kräfte nicht richtig kontrollieren kannst und du möchtest sicher nicht noch einmal von Alesia in eine Falle gelockt werden, nicht wahr?«
Ich blickte erstaunt zu der Artista auf. Wusste sie etwa von den Geschehnissen auf dem Schiff?
Die Fürstin nickte nur, als hätte ich laut zu ihr gesprochen und beantwortete meine Frage dann übergangslos und ohne jede weitere Erklärung.
»Aber ja. Sicher ist dir aufgefallen, dass Alesia sich in letzter Zeit nicht mehr genähert hat, Ginevra. Ich habe dafür gesorgt, dass sie sich aus den Dingen heraushält, die nicht für sie bestimmt sind. Ihr Blut ist stark, erstaunlich stark für eine della Francesca. Doch sie ist noch viel zu jung, um alles zu verstehen, was in der Welt vor sich geht und um zu erkennen, wann sie verloren hat.«
Die Artista sah abwesend auf einen Punkt in ihrem Salon, der offenbar nicht vorhanden war, und schwieg für die Dauer einiger Herzschläge.
Zumindest erklärte dies, warum Alesia in letzter Zeit so ruhig war und nicht mehr durch meine Träume wandelte. Wie mochte die Fürstin dafür gesorgt haben, dass Alesia stillhielt? Ich würde es wohl entweder niemals erfahren oder erst dann, wenn eine der beiden Artiste es mir aus eigenem Antrieb berichtete - was allerdings unwahrscheinlich war.
So still war es für einen langen Moment, dass die Stimme der Fürstin einem Kanonenschuss gleichkam. Sie drehte sich zu mir um und hielt meine Augen mit ihrem Blick gefangen. Für einen kurzen Augenblick vergaß ich zu atmen, während sie mich auf diese Weise ansah und ich fühlte mich, als würde sie in meine Gedanken eindringen und dort alles lesen, was ich vor ihr zu verbergen trachtete.
»Sei vorsichtig, Ginevra. Du hast in Alesia della Francesca eine mächtige Feindin, die niemals ruhen wird, solange sie nicht das bekommt, was sie haben möchte. Aus dem jungen Mädchen wird eines Tages eine Frau werden, die eine ernst zu nehmende Gefahr darstellt. Alesia vergisst niemals, merke dir das.«
Erschrocken schnappte ich nach Luft, als die Artista meine Gedanken freigab, und fiel schwer atmend in die Kissen hinter meinem Rücken, die unter meinem Gewicht
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