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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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verstaut war, setzte Mary sich ans Steuer, und Royde ließ sich neben ihr nieder.
    Die Entfernung zwischen Saltington und Saltcreek betrug zehn Kilometer. Als sie den kleinen Marktflecken hinter sich hatten, nahm Mary Aldin das Gespräch über Roydes Kommen wieder auf.
    «Wirklich, Thomas, du bist wie vom Himmel gesandt. Es ist alles etwas schwierig, und ein Fremder, oder teilweise Fremder, wird gerade benötigt.»
    «Was ist denn los?»
    Wie stets zeigte er keine Neugier, sondern eher Gleichgültigkeit. Er schien die Frage lediglich aus Höflichkeit zu stellen. Für Mary Aldin hatte das etwas Beruhigendes. Sie wollte gern mit einem Menschen sprechen, aber sie zog es zugleich bei Weitem vor, mit jemandem zu reden, der keine große Anteilnahme hegte.
    Sie sagte: «Also, wir sind in eine etwas verzwickte Lage geraten. Audrey ist da – das weißt du wohl?»
    Er nickte.
    «Und Nevile und seine Frau ebenfalls.»
    Thomas Roydes Brauen gingen in die Höhe. Nach einer Weile bemerkte er:
    «Bisschen ungeschickt, wie?»
    «Ja, das ist es wohl. Es war Neviles Einfall.»
    Sie hielt inne, doch als ob sie Misstrauen bei ihm zu spüren glaubte, wiederholte sie nachdrücklich:
    «Es war wirklich Neviles Einfall.»
    «Warum wollte er das?»
    «Oh, nur so eine moderne Anschauung! Vernünftig sein und freundschaftlich miteinander auskommen. Aber ich glaube nicht, dass es gut geht.»
    «Hm. Wie ist denn die zweite Frau?»
    «Kay? Natürlich schön. Wirklich sehr schön. Und ganz jung. Nevile hat sie sehr gern. Allerdings sind sie erst ein Jahr verheiratet. Aber… aber ich finde einfach, dass die beiden nicht viel gemein haben. Ihre Freunde zum Beispiel…» Mary brach ab.
    «Er hat Kay an der Riviera kennen gelernt, nicht wahr? Ich weiß halt nur die nackten Tatsachen, die meine Mutter mir mitgeteilt hat.»
    «Ja, sie haben sich in Cannes kennen gelernt. Nevile fühlte sich zu ihr hingezogen, aber so was ist wohl schon früher hin und wieder bei ihm vorgekommen – auf harmlose Weise. Ich denke immer, dass nichts daraus geworden wäre, wenn nur er etwas zu sagen gehabt hätte. Er liebte Audrey aufrichtig. Ich glaube nicht, dass er sich scheiden lassen wollte – ich bin dessen sogar sicher. Aber das Mädchen war fest entschlossen. Es gab keine Ruhe, bis er seine Frau verließ, und so etwas schmeichelt einem Mann natürlich.»
    «Sie war wohl bis über beide Ohren verliebt in ihn?»
    «Anzunehmen.»
    Marys Stimme klang zweifelnd. Als sie seinem fragenden Blick begegnete, errötete sie.
    «Ich kann mir nicht helfen… da scharwenzelt die ganze Zeit ein alter Freund von ihr um sie herum – ein schöner Bursche –, sieht ein bisschen aus wie ein Gigolo. Und ich weiß nicht… ich frag mich halt manchmal, ob die Tatsache, dass Nevile wohlhabend und aus guter Familie ist, nicht doch etwas damit zu tun hat. Das Mädchen hatte, glaube ich, überhaupt kein Vermögen. Aber vielleicht bin ich nur neidisch. Kay ist wirklich schön, und das weckt im Herzen einer alten Jungfer Raubtier-Instinkte.»
    Thomas blickte sie gedankenvoll von der Seite an, doch sein Gesicht blieb undurchdringlich.
    Sachlich fragte er: «Und worin besteht nun das Übel?»
    «Im Grunde hab ich keine Ahnung! Das ist ja eben so seltsam. Natürlich haben wir uns erst mit Audrey in Verbindung gesetzt, und sie war keineswegs dagegen, mit Kay zusammenzutreffen. Sie benimmt sich reizend. Audrey ist ja nie etwas vorzuwerfen. Sie gibt sich sehr zurückhaltend, und man weiß nie, was sie in Wirklichkeit denkt oder fühlt – aber ich glaube, dass sie tatsächlich nichts dagegen hat.»
    «Dazu besteht ja auch kein Grund», meinte Thomas. «Schließlich sind seither drei Jahre vergangen.»
    «Ob Menschen wie Audrey jemals vergessen können?»
    «Sie ist erst zweiunddreißig. Hat noch das ganze Leben vor sich.»
    «Ja, aber die Sache hat sie sehr mitgenommen. Sie erlitt einen richtigen Nervenzusammenbruch damals.»
    «Ich weiß. Meine Mutter schrieb mir davon.»
    «In gewisser Weise war es gut für deine Mutter, dass sie sich um Audrey kümmern musste. So wurde sie von ihrem eigenen Kummer abgelenkt – über Adrians Tod. Wir waren alle bestürzt, als wir vom Unfall deines Bruders hörten.»
    «Ja, der arme, alte Adrian. Er fuhr immer zu schnell.»
    Es entstand eine Pause. Mary streckte die Hand aus, zum Zeichen, dass sie in den Weg einbiegen wollte, der hügelabwärts nach Saltcreek führte.
    Unvermittelt fragte sie dann: «Thomas, kennst du Audrey sehr gut?»
    «Soso. In den letzten

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