Kurz vor Mitternacht
Easterhead wohnen», berichtete Ted. «Ich hab mir schon ein Zimmer bestellt.»
«Das wird eine nette Gesellschaft sein! Nevile und ich, Neviles Verflossene und irgendein malaiischer Pflanzer, der Heimaturlaub hat.»
«Das klingt interessant!»
«Und dann die langweilige Kusine natürlich. Den ganzen Tag schuftet sie für das unangenehme alte Weib – und dabei bekommt sie überhaupt nichts dafür, denn das ganze Vermögen fällt an Nevile und mich.»
«Vielleicht weiß sie das nicht?», mutmaßte Ted.
«Das wäre allerdings ziemlich komisch!»
Aber sie sprach geistesabwesend. Sie starrte auf das Racket, das sie in den Händen drehte. Plötzlich hielt sie den Atem an.
«Ach, Ted!»
«Was gibt’s, Engel?»
«Ich weiß nicht. Nur manchmal… da bekomme ich kalte Füße! Ich kriege Angst und fühle mich so sonderbar.»
«Das sieht dir aber gar nicht ähnlich, Kay.»
«Nicht wahr? Na, jedenfalls…», sie lächelte etwas unsicher, «wirst du ja im Hotel Easterhead sein.»
«Wie abgemacht.»
Als Kay und Nevile sich vor der Garderobe trafen, sagte er:
«Ich sehe, dein Freund ist angekommen.»
«Ted?»
«Ja, der treue Hund – treue Eidechse würde allerdings besser passen.»
«Du magst ihn nicht, oder?»
«Oh, ich hab nichts gegen ihn. Wenn es dir Spaß macht, ihn an der Leine hinter dir herzuziehen…»
Er zuckte die Schultern.
«Ich glaube, du bist eifersüchtig.»
«Auf Latimer?»
Sein Erstaunen war echt.
«Ted gilt allgemein als sehr anziehend.»
«Das ist er wohl auch. Er hat ganz entschieden Charme.»
«Du bist doch eifersüchtig!»
Nevile drückte freundschaftlich ihren Arm.
«Nein, ich bin’s nicht, Schönliebchen. Meinetwegen kannst du einen ganzen Hofstaat von Verehrern haben – ich habe das Gesetz auf meiner Seite.»
«Du bist sehr selbstsicher», lächelte Kay.
«Natürlich. Wir beide sind füreinander bestimmt. Das Schicksal hat uns zusammengeführt. Vom ersten Augenblick an, als ich dich in Cannes wiedersah, wusste ich, dass ich meinem Los nicht entrinnen kann. Das Schicksal hatte es so gewollt.»
«Es war nicht eigentlich das Schicksal», entgegnete Kay. «Ich war’s!»
«Was meinst du damit?»
«Als ich hörte, dass du nach Cannes ins Estoril ziehen wolltest, setzte ich meiner Mutter so lange zu, bis sie nachgab. Deshalb trafen wir uns dort wieder.»
Nevile betrachtete sie mit einem seltsamen Ausdruck. Langsam sagte er:
«Das hast du mir nie erzählt.»
«Nein, weil du dir dann etwas eingebildet hättest! Aber ich war von jeher ein guter Pläneschmied. Es geschieht nichts, wenn man nicht nachhilft. Du nennst mich immer Dummerle – doch auf meine Weise bin ich recht gescheit. Ich führe die Geschehnisse herbei. Manchmal plane ich etwas lange, lange im Voraus.»
«Ich begreife allmählich, was für eine Frau ich geheiratet habe», bemerkte Nevile mit leichter Bitterkeit.
«Du bist mir doch nicht böse, Nevile?»
«Nein, nein, natürlich nicht», erwiderte er geistesabwesend. «Ich dachte nur gerade an etwas…»
11
10. August
L ord Cornelly, ein sehr wohlhabender und etwas überspannter Pair, saß an seinem riesigen Schreibtisch. Das unauffällige, rundliche Männlein wirkte hinter dem prächtigen Möbel geradezu zwergenhaft.
Eine blonde Sekretärin glitt leise ins Zimmer und legte eine Karte vor ihren Chef.
Lord Cornelly blickte darauf nieder.
«MacWhirter? MacWhirter? Wer ist das? Nie von ihm gehört. Ist er angemeldet?»
Die blonde Sekretärin deutete an, dass dies der Fall sei.
«MacWhirter, he? Oh, MacWhirter! Der! Natürlich! Schicken Sie ihn herein.»
Lord Cornelly kicherte vergnügt. Er war glänzender Laune. Bequem zurückgelehnt betrachtete er dann das ernste Gesicht des Mannes, den er zwecks einer Besprechung zu sich gebeten hatte.
«Sie sind also Andrew MacWhirter, he?»
«Das ist mein Name.»
MacWhirter stand steif und aufrecht da und sprach ohne Lächeln.
«Sie waren bei Herbert Clay angestellt, nicht wahr?»
«Jawohl.»
Lord Cornelly ließ abermals ein Kichern hören.
«Ich weiß Bescheid über Sie. Clay wurde der Führerschein entzogen, weil Sie nicht aussagen wollten, dass er nicht über fünfunddreißig Kilometer gefahren wäre. Wütend war er darüber!»
Das Kichern verstärkte sich.
«Im ‹Savoy› erzählte er es uns brühwarm. ‹Dieser verdammte eigensinnige Schotte!› Das sagte er. Immer wieder. Wissen Sie, was ich dachte?»
«Ich habe keine Ahnung.»
«Ich dachte im Stillen: Das ist die Sorte Mensch, mit der ich etwas
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