Kurz vor Mitternacht
Tochter Sylvia. «Poirot setzt die einzelnen Teile des Puzzles zusammen und nagelt auf diese Weise den Mörder fest. Vor allem lässt er die Leute reden.»
«Und jetzt willst du Nevile Strange zum Reden bringen?»
Battle nickte geistesabwesend.
Dann sagte er mit leichter Verwirrung: «Wenn ich nur wüsste, wieso mir Hercule Poirot eingefallen ist… Oben war es… Was hab ich dort gesehen, das mich an den kleinen Belgier erinnert hat?»
Nevile Strange unterbrach mit seinem Eintritt das Grübeln des Inspektors. Er sah blass und besorgt aus, aber weniger nervös als beim Frühstück.
Battle musterte ihn scharf. Unglaublich, dass ein Mann in dieser Lage keine Unruhe zeigte.
Jim Leach sprach ihn liebenswürdig an:
«Wir hätten Ihnen gern noch einige Fragen gestellt, Mr Strange. Vor allem möchten wir wissen, was Sie gestern getan haben. Übrigens mache ich Sie darauf aufmerksam, dass Sie die Fragen nicht zu beantworten brauchen, wenn Sie es vorziehen, nur in Anwesenheit Ihres Rechtsbeistands verhört zu werden.»
Er lehnte sich zurück, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten.
Nevile blickte offensichtlich verwirrt drein.
Er hat gar keine Ahnung, worauf wir hinauswollen, dachte Leach.
Oder aber er ist ein glänzender Schauspieler.
Laut fuhr er fort: «Nun, Mr Strange?»
«Natürlich stehe ich Ihnen zur Verfügung», antwortete Nevile.
«Sie sind sich doch im Klaren darüber», bemerkte Battle freundlich, «dass jedes Ihrer Worte notiert wird und unter Umständen vor Gericht gegen Sie verwendet werden kann?»
Ein Anflug von Zorn glitt über Neviles Gesicht.
«Wollen Sie mir drohen?»
«Nein, nein, nur warnen möchte ich Sie.»
Nevile zuckte die Schultern.
«Das gehört wohl zu Ihren Pflichten. Fangen Sie also an.»
«Dann teilen Sie uns bitte genau mit, was Sie gestern Abend gemacht haben. Vom Abendessen an.»
«Nach dem Abendessen gingen wir ins Wohnzimmer, wo wir den Kaffee nahmen. Wir hörten die Nachrichten im Radio und so weiter. Dann beschloss ich, zum Hotel Easterhead hinüberzugehen und dort einen Freund aufzusuchen.»
«Der Name des Freundes?»
«Latimer. Edward Latimer.»
«War es nicht schon etwas spät für den Besuch?»
«Oh, dort drüben geht’s ziemlich lustig zu. Das Hotel ist die halbe Nacht geöffnet.»
«Aber hier im Haus begibt man sich recht früh zu Bett, nicht wahr?»
«Im großen Ganzen ja. Deshalb nahm ich auch den Hausschlüssel mit. Meinetwegen brauchte niemand aufzubleiben.»
«Wollte Ihre Frau nicht mitkommen?»
Eine leichte Veränderung war Neviles Stimme anzumerken, etwas Kaltes lag darin, als er erwiderte:
«Nein, sie hatte Kopfschmerzen. Sie war schon zu Bett gegangen.»
«Fahren Sie bitte fort. Mr Strange.»
«Ich wollte mich gerade umziehen…»
Leach fiel ein: «Entschuldigen Sie, was wollten Sie anziehen? Einen Abendanzug? Oder wollten Sie einfach nur wechseln?»
«Ich hatte einen blauen Anzug an, zufällig meinen besten, und da es regnete, nahm ich lieber einen älteren – einen grauen, der feine Streifen hat, wenn Sie es ganz genau wissen wollen.»
«Wir möchten gern jede Einzelheit wissen», versetzte Leach bescheiden. «Bitte weiter.»
«Wie gesagt, ich wollte gerade hinaufgehen, als Hurstall kam und mich zu Lady Tressilian schickte, die mich zu sprechen wünschte. Ich begab mich also zu ihr, und dann… dann hatten wir einen kleinen Wortwechsel.»
«Sie sahen sie als letzter lebend, nicht wahr, Mr Strange?»
Nevile errötete.
«Ja, ich… ich glaube. Sie war aber ganz wohlauf.»
«Wie lange blieben Sie bei ihr?»
«Ungefähr zwanzig Minuten, denke ich. Dann begab ich mich in mein Zimmer, zog mich um und eilte fort. Den Hausschlüssel nahm ich mit.»
«Wie spät war es da?»
«Gegen halb elf, glaube ich. Ich lief den Hang hinunter, erwischte die Fähre gerade, als sie eben abfahren wollte, und setzte über. Im Hotel trank ich ein oder zwei Gläschen mit Latimer, und wir spielten zusammen Billard. Die Zeit verging so rasch, dass ich die letzte Fähre um halb zwei verpasste. Latimer holte liebenswürdigerweise seinen Wagen und fuhr mich zurück. Wir mussten den ganzen Umweg über Saltington machen, sodass ich erst gegen halb drei heimkam. Ich bedankte mich bei Latimer, forderte ihn auf, mit hereinzukommen und noch einen Schluck zu trinken, aber er wollte lieber gleich zurückfahren, und so ging ich zu Bett. Ich sah und hörte nichts Auffallendes. Das ganze Haus schien zu schlafen und machte einen friedlichen Eindruck. Heute Morgen
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