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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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liest es uns
     vor.
     
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Die ersten Traktor-Konstrukteure hatten davon geträumt, Schwerter zu Pflugscharen werden zu lassen, doch als sich nun der
     Geist des Jahrhunderts verdunkelt, müssen wir feststellen, dass Pflugscharen zu Schwertern werden.
    Die Lokomotivenfabrik Charkiw, in der zur Umsetzung der Neuen Ökonomischen Politik einst wöchentlich tausend Traktoren hergestellt
     worden waren, wurde nach Tscheljabinsk jenseits des Urals verlagert und auf Erlass des Volkskommissars für Verteidigung, K.   J.   Woroshilow, auf die Produktion von Panzern umgestellt.
    Chefkonstrukteur war Michail Koshkin, der am Leningrader Institut studiert und bis 1937 im Kirower Werk gearbeitet hatte.
     Er war ein moderater und kultivierter Mann, dessen überragende Fähigkeiten von Stalin dafür eingesetzt – man könnte auch sagen,
     missbraucht – wurden, der Sowjetunion zu militärischer Vormachtstellung zu verhelfen. Koshkins erster Panzer, der A-20, fuhr
     noch auf Original-Raupenketten; er hatte ein 4 5-mm -Geschütz und war so gepanzert, dass ein Granatentreffer ihm nichts anhaben konnte. Später, als die Geschützgröße auf 76,2   mm erweitert und die Panzerung verstärkt wurde, wurde der A-20 in T-32 umbenannt. Der T-32 kam im spanischen Bürgerkrieg zum
     Einsatz, wo sich zwar seine Metallpanzerung als verwundbar erwies, seine Manövrierfähigkeit aber große Bewunderung hervorrief.
     Sein Nachfolger war der legendäre T-34, von dem es oft heißt, er habe im Zweiten Weltkrieg entscheidend dazu beigetragen,
     das Blatt zu wenden. Seine Panzerung war noch um einiges dicker, und um das dadurch entstandene Mehr an Gewicht auszugleichen,
     wurde dieses Modell erstmals mit einem aus Aluminium gegossenen Motor ausgestattet.
     
    Vaters Stimme wird schwächer und zittriger, und er muss mehrmals unterbrechen, um Atem zu holen.
     
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In der Eiseskälte des Februar 1940 wurde das erste Modell des T-34 nach Moskau gebracht und der Sowjetführung vorgeführt.
     Er beeindruckte sie sehr, nicht zuletzt deshalb, weil er so weich und problemlos über die holprigen und wegen Eis und Schnee
     kaum befahrbaren Straßen der Hauptstadt rollte.
    Allerdings erlebte der arme Koshkin die Produktion seiner Erfindung nicht mehr. Er hatte sich bei dieser Fahrt, als er stundenlang
     dem grässlichen Wetter ausgesetzt gewesen war, eine Lungenentzündung geholt, der er wenige Monate später erlag.
    Seine Konstruktion wurde von seinem Schüler und Kollegen Aleksandr Morosow, einem schneidigen, gutaussehenden jungen Ingenieur,
     vollendet. Unter Morosows Leitung liefen im August 1940 die ersten T-34 vom Band, aus denen bald Hunderte, ja Tausende wurden.
     Als Anerkennung dafür wurde die Stadt Tscheljabinsk, die einmal wegen ihrer Traktorenproduktion bekannt gewesen war, in Tankograd
     umbenannt.
     
    Draußen vor dem Fenster versinkt die Sonne in den den ganzen Tag über nicht aufgetauten Ackerfurchen. Der Wind, der durch
     die Zweige streicht, kommt übers flache Land von der ostenglischen Küste her, ein Ostwind, der irgendwo jenseits des Urals
     seinen Anfang genommen und über die weiten Steppen zu uns gefunden hat.
    Vater ist warm gegen die Kälte eingepackt, er trägt fingerlose Handschuhe, auf dem Kopf eine Wollmütze und an den Füßen drei
     Paar dicke Socken. Die Lesebrille auf der Nase, sitzt er tief über sein Manuskript gebeugt. Hinter ihm auf dem Kaminsims steht
     ein Porträt meiner Mutter. Sie scheint über seine Schulter zu blicken, zum Fenster hinaus über die Felder zum Horizont. Aus
     welchem Grund mag sie ihn geheiratet haben, diese verträumte junge Frau |140| mit den braunen Augen, dem zu Zöpfen geflochtenen Haar und dem geheimnisvollen Lächeln? War er ein schneidiger, gutaussehender
     junger Ingenieur? Hat er sie etwa verführt, indem er ihr von automatischen Getrieben erzählt oder ihr Motorenöl als Geschenk
     mitgebracht hat?
     
    »Warum hat sie ihn eigentlich geheiratet?«, frage ich Vera.
    Die Scheidungsexpertin und die militante Schickt-sie-alle-zurück-Aktivistin haben ihre Informationen ausgetauscht, und der
     Ton unseres Gesprächs ist jetzt freundschaftlichherzlich. Wir sind von Vaters Hochzeit mit Valentina auf die Hochzeit unserer
     Eltern zu sprechen gekommen, und weil ich sehe, dass die Tür zur Vergangenheit sich einen Spalt zu öffnen beginnt, will ich
     sie weiter aufstoßen.
    »Das war, nachdem der U-Boot -Kommandant bei Sewastopol ums Leben gekommen war. Ich nehme an, sie hatte Angst

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