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Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch

Titel: Kurze Geschichte des Traktors auf ukrainisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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hat, wirken die drei Mitglieder der Kammer,
     die nun hinter dem Richtertisch Platz nehmen, in ihren ausgebeulten Hosen und (nicht modisch) zerknitterten Jacken ziemlich
     leger. Kaum haben sie die Sitzung eröffnet und ihre Namen genannt, springt Valentinas Berater auf und bittet um einen Dolmetscher
     für seine Klientin. Die drei stecken die Köpfe zusammen, beraten sich mit der Schriftführerin, und dann erscheint durch eine
     Seitentür eine kraushaarige plumpe Frau, die vor Valentina und Stanislav Platz nimmt und sich vorstellt. Ich höre die beiden
     richtiggehend nach Luft schnappen. Nun schnellt der junge Anwalt von Neuem in die Höhe, zeigt mit der Hand auf Vera und mich
     und protestiert gegen unsere Anwesenheit. Seine Einwände werden abgelehnt. Schließlich erhebt er sich wieder und setzt zu
     einer langen und eloquenten Rede an, in deren Verlauf er die Liebesgeschichte zwischen Valentina und Vater zum Besten gibt
     und beschreibt, wie bei einer Veranstaltung im Ukrainischen Club in Peterborough Liebe auf den ersten Blick alle beide beinahe
     umgeworfen habe, wie Vater Valentina angefleht habe, ihn zu heiraten, wie er sie mit Briefen und Liebesgedichten bombardiert
     habe – dabei schwenkt der junge Mann einen Stapel Fotokopien – und wie glücklich sie miteinander gewesen seien, bevor die
     Töchter – hier deutet er auf Vera und mich – begonnen hätten, sich einzumischen. Als er etwa zehn Minuten geredet hat, entsteht
     Bewegung an der Tür und eine Gerichtsdienerin huscht herein. Sie hält mehrere Blatt Papier in der Hand, die sie vor dem Vorsitzenden
     auf den Tisch legt. Der überfliegt sie und reicht sie an seine beiden Kollegen weiter.
    »Und er wäre heute persönlich hier erschienen, um seine Liebe zu meiner Mandantin zu bezeugen, wenn nicht eine Atemwegsinfektion
     zu seinem hohen Alter und seiner sonstigen |234| schwachen Konstitution dazugekommen wäre und ihn von der Fahrt hierher abgehalten hätte«, versichert der junge Mann mit erhobener
     Stimme. Der Vorsitzende lässt ihn höflich zu Ende sprechen, dann hält er die Papiere, die die Gerichtsdienerin soeben gebracht
     hat, in die Höhe.
    »Ich fände Ihre Rede sehr überzeugend, Mr.   Ericson«, sagt er, »wäre uns nicht gerade in diesem Moment ein Fax aus Peterborough von der Anwältin des Ehemanns Ihrer Mandantin
     zugestellt worden, die uns die Einzelheiten einer von ihr eingereichten Scheidungsklage ihres Mandanten gegen Ihre Mandantin
     übermittelt.«
    Valentina springt auf die Füße und dreht sich zu Vera und mir um. »Das ist machen von diese verdammte zwei Hexenschwestern!«,
     schreit sie und fährt mit ihren roten Fingernägeln durch die Luft. »Bitte, Sie hören, Mr.   Sir   …«, wendet sie sich dann mit bittend zusammengefalteten Händen an den Vorsitzenden, »ich in Liebe mit mein Mann.«
    Etwas verstimmt, dass man sie an diesem Drama nicht teilhaben lässt, mischt sich nun auch die Dolmetscherin ein: »Sie sagt,
     die beiden Schwestern seien Hexen. Und sie möchte sagen, dass sie ihren Mann liebt.«
    Vera und ich verziehen keine Miene.
    »Mr.   Ericson?«, fragt der Vorsitzende.
    Der junge Mann ist unterhalb seines hellen Haarschopfes dunkelrot angelaufen. »Ich bitte um eine zehnminütige Unterbrechung,
     um mich mit meiner Mandantin zu besprechen.«
    »Bewilligt.«
    Als sie den Saal verlassen, höre ich ihn Valentina etwas zuzischeln. Es klingt wie: »…   mich vollkommen lächerlich gemacht   …«
    Zehn Minuten später kommt Mr.   Ericson allein in den Verhandlungsraum zurück und erklärt: »Meine Mandantin möchte ihren Antrag zurückziehen.«
    |235| »Hast du gesehen, wie er uns zugeblinzelt hat?«, fragt Vera.
    »Wer?«
    »Der Vorsitzende. Er hat gezwinkert.«
    »Nein! Ist mir gar nicht aufgefallen. Wirklich?«
    »Ich finde, er war sehr sexy.«
    »Sexy?«
    »Ja, ein richtiger zerknautschter Engländer. Ich liebe die englischen Männer.«
    »Mit Ausnahme von Dick.«
    »Dick war auch sehr englisch und zerknautscht, als ich ihn kennen lernte. Damals mochte ich ihn. Bevor er Persephone getroffen
     hat.«
    Wir sitzen nebeneinander auf einem breiten Sofa in Veras Wohnung in Putney. Vor uns auf dem Couchtisch stehen zwei Gläser
     und eine gut gekühlte, mittlerweile fast leere Flasche Weißwein. Im Hintergrund spielt leise Musik von Dave Brubeck. Nach
     unserem gemeinsamen Auftreten vor Gericht schien es ganz selbstverständlich, dass ich mit ihr hierher kam. Es ist eine kühle
     Wohnung mit weißen

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