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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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Mongolei ist eine chinesische Provinz, die Chinesen haben sie uns gestohlen und geben sie für ihr Eigentum aus. Was dort ihr Eigen ist, sind einzig und allein Zehntausende Bastarde, die alljährlich von unseren zu Leibeigenen gemachten Frauen geboren werden. Jede mongolische Frau muss einen Chinesen heiraten, und ihr Kind gilt als Chinese.
    Wir werden in der Inneren Mongolei immer weniger, und
dagegen kann schwerlich jemand etwas unternehmen. Die chinesischen Kolonisten sind zahlreich, und die Zeiten, in denen die Mongolen von ihren Sätteln aus alle chinesischen und noch andere Völker beherrschten, sind längst von den Dünen des goldenen Gobisandes zugeschüttet.
    Personen aus der Inneren Mongolei erfreuen sich bei uns keiner großen Beliebtheit. Begreiflicherweise. Sie gehören zwar gleichsam zu uns, aber die Gefahr, sich mit einem chinesischen Bastard, einem unreinen Erliiz, zu verbrüdern, ist so groß, dass es besser ist, diesen Leuten nach Möglichkeit auszuweichen. Das meinen alle. Ich dachte an Dawdscha, Lio Fu und die kleine Gerle mit ihren chinesischen Bäckchen. Mir liegen die Chinesen auch nicht. Sie legen herein, wen sie können, sie lassen keinen in ihre Kreise und vermehren sich wie Wanzen. Lio Fu war nicht schlecht, und trotzdem hat man ihn hinausgebissen, und Dawdscha sitzt mit Gerle schon jahrelang alleine da. Inzwischen ist sie ausgemergelt und abgearbeitet, aber auch früher wollte niemand sie. Kein Mann möchte ins Gerede kommen. Keiner wollte eine lächerliche Figur abgeben und für ein Kind sorgen, das seine Herkunft ausstrahlt wie ein roter Lampion vor der Tür eines chinesischen Hauses.
    Ich hatte eigentlich Glück. Mir war es irgendwie gelungen, meine chinesischen Gesichtszüge mit dem Heranwachsen abzulegen, und weil ich einen ordentlichen mongolischen Vater hatte, der zu mir stand und demgegenüber sich niemand etwas herauszunehmen traute, steckte mir außer in meiner Schulzeit niemand Hundefleisch zu.
    Mergen sah viel mehr wie ein Chinese aus. Er hatte das Gesicht eines typischen Erliiz und begann auch bald, eine Glatze zu bekommen. Das ist ein sicheres Erkennungszeichen. Mamas
und Papas Familien waren rein. Beiderseits ein gesunder, makelloser Stammbaum und zu den Chinesen ein eindeutiger verächtlicher Abstand.
    Wie Mama und Papa zusammenkamen, wusste ich schon von früher. Um diese Geschichte wurde kein Geheimnis gemacht. Nur Großmutter murrte wegen Mamas ärmlicher Herkunft, als argwöhnte sie, Mama hätte hauptsächlich eine gute Partie machen wollen und hätte Papa dabei nur nebenbei mit einkassiert. In diesem Punkt aber würde ich Mama Aufrichtigkeit zugestehen, und selbst wenn nicht, wäre es eigentlich immer noch besser als umgekehrt.
    Dass ein junges reiches Mädchen einen armen Mann heiratet, ist eine Schande. Da hätte Papa wohl Pech gehabt.
    Gelbe Blume hingegen legte es anders aus, wie Mama und Papa einander kennen lernten.
    Angeblich soll Tuuleg meine Mutter Alta umworben haben. Er wollte sie unbedingt, und abzulehnen schickte sich nicht. Mira, die Großmutter von Mamas Seite, die ich bei weitem nicht so gut kannte wie Dolgorma, war unbeugsam. Besonders zuwider war Papa Mama nicht, er war ein braver Mann und konnte gut mit der Herde umgehen, und so heirateten sie. Bevor ein Jahr um war, kam Magi zur Welt, und Alta wurde Mutter und somit eine ehrenwerte Frau mit allem, was dazugehört.
    Sie hat keinen Grund zur Klage gehabt, setzte Schartsetseg fort, und ich spürte, sie musste sie schon damals beneidet haben.
    Arm waren meine Eltern nie.
    Selbst wenn ein Jahr noch so schlecht war, mussten sie nie betteln gehen. Im Gegenteil, sie borgten anderen, und daher hatte ihr Wort in der Gegend immer ziemliches Gewicht. Als
Magi etwa ein Jahr alt war, ließ sich Papa auf irgendwelche Geschäfte ein.
    Es war zum ersten und zum letzten Mal. Dann erkannte er, dass das Geld viel flinkere Beine hat als eine Schafherde, und kehrte zu seinen Tieren zurück, damals jedoch hatte er, kurz gesagt, beschlossen, es wie so viele andere zu versuchen. Er führte aus China isolierte Drähte ein und Radios, die zu der Zeit gerade billiger wurden als die von den Russen. Er unternahm weite Reisen nach Urumtschi und manchmal sogar bis Peking, und Mama war immer allein.
    Mergen war gar kein Handelsreisender, grinste Schartsetseg und zwinkerte mir verschwörerisch zu, der an einem sonnigen Sommertag zu Mittag zu einem kleinen Plausch in einem Ger einkehrt, sondern ein Mann, der zusammen mit Tuuleg

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