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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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verströmte angeblich eine derartige Helle, als würde es tagen.
    Für mich waren diese Hände für immer verbunden mit dem Gestank von Tabak und einer einzigen schwungvollen Geste, die mich aufs Sofa stieß. Sie verursachten mir Angst, manchmal sogar noch heute. Diese Hände waren für jemanden schön gewesen. Das ließ mich zusammenfahren. Ich erinnerte mich nur, wie sie meine Handgelenke zittrig umschlossen und vom Suff feucht und ungeduldig waren. Das war in mir haften geblieben, und es war mir unmöglich, bei Schartsetsegs Erzählung nicht daran zu denken.
    Mama strich ihm mit den Fingern über die flache Hand und legte dann ihre Hand darauf. Nein, eigentlich berührte sie sie nur flüchtig und zuckte zurück.
    Dabei entglitt ihr der Lappen und klatschte auf den Boden. Als sie sich danach bückte, trat gerade Papa aus dem Ger, und Mergen verschwand darin. Am nächsten Morgen gingen sie ohne Abschied fort, und Mama zählte die Tage, die sich langsamer als sonst dahinschleppten, und eigentlich war es ohnehin mehr als gewiss, dass Papa allein zurückkommen würde. So war es, und Mama dachte an nichts anderes als an den Mann, dessen Namen sie nicht kannte, und an seine ausgestreckte Hand, die sich in ihre fiebrigen Träume mischte.
    Nach einer Woche fuhr Papa weg, und nach weiteren sieben Tagen vermutete sie, dem am Horizont aufgewirbelten Staub nach, er käme aus irgendeinem Grund früher heim.
    Doch es war anders. Papa steckte in China bis zum Hals in Arbeit und kehrte erst nach vier langen Wochen süßer Lustbarkeiten zurück, die Mergen sich und Mama geschickt
verschafft hatte, indem er Papa zur Erledigung irgendeiner geschäftlichen Angelegenheit bis an den Fluss Tchalimuche schickte, und Dolgorma, zu der Zeit noch eine junge Frau, hielt sich durch ein Zusammentreffen von Zufällen für zwei Monate bei ihrem Vetter in Chowd auf.
    Schartsetseg sagte, ich wäre in diesen Wochen empfangen worden, in den glücklichsten Wochen von Mamas Leben, und dafür verdiene Mama angeblich Dankbarkeit. Etwas von ihrem damaligen Glück sei in mir bewahrt. Als Mergen sich auf den Weg machte, weil Papa jeden Tag zurückkommen konnte, entlockte ihm Mama angeblich das Versprechen, sie würden etwas Ähnliches in einem Vierteljahr wiederholen. Offenbar sehnte sich Mergen genauso danach, so dass Papa kaum zwei Monate später wieder zu einer beinahe so weiten Reise wie beim letzten Mal aufbrach und die beiden von neuem tagelang zusammen waren. Bei dieser Gelegenheit hatte Mama Dolgorma das erste und letzte Mal gebeten, ihre Enkelin für ein paar Tage mitzunehmen, um ihr ihre Wurzeln zu zeigen, und daher begab sich Großmutter mit der kleinen Magi im Arm nach Westen in ihre Heimat zu ihren Verwandten, die Mama im Leben noch nie gesehen hatte und auch nicht sehen wollte. Wer weiß, warum Dolgorma sich überhaupt einverstanden erklärte, meine, wie Schartsetseg sagte, mit allen Wassern gewaschene Großmutter war bestimmt nicht so dumm, Mama zu glauben. Kurz gesagt, Großmutters Beweggründe werden ein Geheimnis bleiben. Allerdings piesackte Großmutter auf ihre alten Tage Mama tagtäglich auch ganz schön. Vielleicht kam das davon. Ihre Ränke kannte ich besser als Gelbe Blume. Meine Kindheit war voll davon gewesen.
    In diesen paar zerstückelten Wochen wirtschafteten Mama und Mergen wie in einem gemeinsamen Haushalt. Mergens
Abstammung war zwar die eines Erliiz, aber mit Vieh soll er sich ausgekannt haben wie ein echter Mongole.
    Es war jedoch klar, dass das nicht lange so gehen konnte.
    So vertrauensselig nämlich Papa auch gewesen sein mag, wird kein Mannsbild seine Frau ewig allein lassen, und also wurde es für Mergen immer schwieriger, ihn zu weiteren langen Reisen zu bewegen. Umso mehr, als er selbst sich ihnen entziehen musste. Nach gewisser Zeit sagte Papa sein endgültiges Nein, und als Mergen Druck auf ihn auszuüben begann, machte er mit den ganzen Geschäften ein für alle Mal Schluss und kehrte nach Hause zurück.
    Die Begrüßung, die ihm zuteilwurde, war angeblich eisig. Mama wollte kein Wort mit ihm reden, auch seinen Samen wies sie zurück, doch fing sich ihr Bauch nach einer Zeit trotzdem zu runden an. Er hielt es für ein eigenes Kind, zerbrach sich vielleicht nicht den Kopf darüber, aber mit Mama war nichts anzufangen, und Papa verlor langsam, aber sicher die Geduld. Mama stürzte aus heiterem Himmel hinaus und brach vor der Schwelle zusammen und schluchzte. Papa wusste, dass schwangere Frauen empfindlich sind, darum

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