Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
ging es nicht, aber, wie Schartsetseg sagte, was zu viel ist, ist zu viel.
Einmal gab er Mama eine Ohrfeige, schleuderte sie aufs Bett und brüllte, dass er sie, solange sie nicht wieder zur Vernunft käme, nicht aus dem Ger lassen würde. Mama drehte den Kopf zur Wand, verschanzte sich zusammengerollt unter den Decken und hielt so drei Tage lang durch. Papa verlegte sich dann, des Babys wegen, selbst aufs Bitten, sie solle wenigstens ein bisschen was essen. Mama ließ sich herbei aufzustehen, und alles war wie früher. Sie konnte stundenlang ins Nichts blicken, Tränen kollerten über ihre Wangen, und Papa beruhigte sie einmal, und dann wieder tobte er hilflos. Eines
Tages sagte ihm Mama, was geschehen war. Alles. Auch das mit der leuchtenden Hand und wie sie Magi mit Dolgorma wegschickte.
Nachdem sie geendet hatte, wartete sie, das Kinn rebellisch vorgestreckt, mit flehendem und dennoch stolzem Gesicht auf den ersten Schlag. Sie dachte, er würde sie umbringen. Laut Schartsetseg knallte ihr Papa tatsächlich eine. Sie muckste sich nicht. Er schlug ihr übers Gesicht und ging fort.
Mama hörte ihn das Pferd satteln, dann das schwächer werdende Stampfen der Hufe, und dann war es still. Papa ist so einer. Anstatt sie ordentlich zu versohlen, wie die anderen Männer es getan hätten, und alles wäre erledigt, verschwand er für etliche Tage. Sollte sie doch selbst ihre Wahl treffen.
Es lag bei ihr. Wo sie Mergen finden würde, wusste sie. Mit Magi hätte es auch keine Probleme gegeben, das hatten sie schon vorher besprochen, und irgendeine Arbeit hätte sie immer aufgetrieben. Mergen war zwar ein Najmaatschin, eher einer, der Geschäfte aller Art machte, als ein Mann für die Herde, aber das war Mama, behauptete Schartsetseg, bereit, auf sich zu nehmen.
Und hier höre ich auf, sie zu verstehen, sagte Gelbe Blume. Oder eher, ich kann immer noch nicht glauben, dass den Ausschlag Mergens, sagen wir, nicht lupenreine, sie grinste wieder, Abstammung gab. Aber Alta hat es so dargestellt, und nachdem sie mir schon so viel anvertraut hatte, wird sie sich das wohl nicht ausgedacht haben. Übrigens hat Mergen es bestätigt, als ich ihn später danach fragte. Alle hätten sie dann verflucht, sagte er.
Doch Mama hatte einfach nur Angst. Gewöhnliche Angst vor dem Unbekannten, sie war nicht mehr zwanzig und redete sich damit raus, Papa wäre eigentlich sehr nett, und wer weiß,
wie es Magi mit dem Neuen erginge. Und dann Mergens chinesisches Blut. Wiewohl ich, genau wie Schartsetseg, glaube, dass das schwerlich der Hauptgrund war. Mergen allerdings hat zu diesem Grund angeblich genickt, es wäre so. Ich kann mir das nicht vorstellen.
Mich war Mama bereit, als Papas Kind auszugeben. Sie schwor es auf Knien vor Großmutter Dolgorma. Die Mitternachtsgeister sollten mich holen, ein wilder Stier möge mich umstoßen, das Kind soll ohne Hände geboren werden, wenn dieses Baby nicht von mir und meinem Tuuleg ist.
Sie blieb bei ihm. Doch Mergen kam weiter zu ihr.
Von Zeit zu Zeit.
Mama war wütend, dass er sie einer solchen Gefahr aussetzte, bat ihn dann aber dennoch immer, erst am nächsten Tag wegzureiten. Am Morgen lief sie dann vom Ger zu seinem Pferd und wieder zurück, umschlang seine Schultern und flüsterte ihm süße Worte zu. Offenbar konnte er irgendwie spüren, wann er Papa daheim nicht vorfinden würde. Verliebte wittern das manchmal. Mit Dolgorma spielte Alta mit der Zeit immer durchsichtigere Spiele.
Obwohl die Entscheidung damals gefallen war, als Papa, ohne herumzureden, ein paar Tage weggeritten war, war es, als müsste sich Mama jedes Mal, wenn Mergen von ihr fortging, von neuem entscheiden. Ein für alle Mal gewonnen hatte aber Papa, und er ließ Mama auch nie mehr so lange allein. Wenigstens, so lange sie jung war. Wenn er heimkam, hatte sie ihm himmlische Speisen auf den Tisch gezaubert, das Ger blitzte vor Sauberkeit, und Mama zwitscherte wie ein Vögelchen im April.
Einmal schlug Mergen ihr vor, zusammen mit ihm ein paar Tage in der Stadt zu verbringen, Mama solle ihn dort besuchen.
Nirgendwo anders könne man so zu zweit sein wie dort. Das war kein schlechter Einfall. Ich war aber schon etwa fünf Jahre alt, und Mama konnte wahrscheinlich nicht mehr so weitermachen wie bisher. Sie war doch wieder Papas Frau, und daran konnte das Herz nichts ändern.
Sie packte ein paar Sachen zusammen, erzählte Schartsetseg, steckte euch in den Kindergarten, sattelte das Pferd dann aber wieder ab, kehrte in den Somon
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