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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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noch die ganze Halle scheuern und einmal die Woche die Schalter mit Seife waschen. Die Verantwortliche in meiner Abteilung konnte mich nicht leiden. Das war nicht zu meistern, und das Geld hielt mich dort auch nicht. Auf dem Markt verdiente ich doppelt so viel, und dafür fror ich ruhig von früh bis spät in meiner leichten Windjacke und den ungefütterten Schuhen. Sie warfen mich raus, weil ich zwei Paar Handschuhe und einen Schal aus Narans Ware geklaut hatte. Als mir Naran, der mich beschäftigte, sagte, er hätte für den nächsten Tag schon jemand anderen gefunden, seufzte er ein wenig. Bevor er mich erwischte, waren wir ausgezeichnet miteinander ausgekommen. Er konnte nicht begreifen, dass mir das Geld von ihm nicht genügte.
    Die Handschuhe gab ich ihm nicht zurück und verkaufte sie schließlich in einem Frisörsalon einer Frau. Zu dem Zeitpunkt arbeitete ich bereits nicht mehr dort.
    In dem Frisörsalon hatte es mir gefallen, und so nahmen sie mich, und ich kehrte die Haare zusammen.
    Manchmal war es ein Jammer.
    Die dichten langen Haare junger Mädchen sollten unter Naturschutz gestellt werden. Genauso wie die Berggemsen oder das Kloster Erdene Dsuu. Die einfältigen Mädchen wissen nicht, was richtig ist und was nicht, sie begeistern sich gleich für was, und nachher weinen sie.
    Jeden zweiten Tag kam eine, die kurzes Haar wollte und die dann, noch den Plastikumhang auf den Schultern und die warmen Münzen in der Hand, herzzerreißend zu schluchzen anfing, und wir mussten sie hinausbegleiten. Das war auch meine Arbeit. Zu sagen, alles sei gut, und sie mit Erflunkertem
zu beruhigen. Einige Frauen steckten mir unter der Hand ein bisschen Kleingeld in die Tasche. Ich schnitt zwar nicht, trocknete ihnen aber nachher die Haare und erzählte Geschichten aus unserem Aimak.
    Diese Frauen hatten nie vorzeitig geborene Lämmer unter ihrem Deel mit ihrer Wärme gewärmt und könnten einen dreijährigen Wallach nicht von einer achtjährigen Stute unterscheiden, denen konnte ich erzählen, was mir gerade einfiel, und sie fanden es lustig.
    Dieses zusätzlichen Geldes wegen schickten sie mich dann weg. Sie wollten nicht, dass es mir gut ginge. Einem Mädchen vom Land wünschten sie nichts Gutes. Unsicher war ich überhaupt nicht. Damals schon nicht mehr, und vielleicht passte ihnen auch das nicht.
    Mir glückte so wenig. Irgendein Problem gibt es immer. Bei allem.
    Zum Beispiel die Frauen im Bordell. Sie haben durch ihre Arbeit mehr Geld, müssen sich aber einiges gefallen lassen, und wenn sie halbwegs geachtet werden wollen, auch verschweigen, was sie eigentlich tun.
    Schartsetseg mogelt sich so schon zahllose Jahre durch. Schwer zu sagen, ob Mama je eine Ahnung hatte oder nicht. Man kann Dinge jahrelang verheimlichen, sogar vor den nächsten Verwandten.

    In der kleinen Kammer unter der Treppe, wo von der Decke aus den Ritzen zwischen den Brettern unablässig Staub rieselt, blickten Schartsetseg und ich uns vielleicht eine Stunde lang an. Ich dachte darüber nach, was ich hier eigentlich tat, und sie musste spüren, dass mich, solange ich mich nicht selbst entscheiden würde, niemand von hier wegbrächte. Sie hatte
die Lippen zusammengepresst, und ihre sonst zarte Nase glich einem Schnabel. Unter dem Puder war das Gesicht einer alten durchtriebenen Frau zu lesen. Einer Frau, deren Schoß verdorrt war, untauglich, Leben hervorzubringen, und in deren Augen daher Bitterkeit lag und kein Erbarmen mit dem jungen Mädchen, das sie jetzt unnütz aufhielt.
    Das mit dem Aufhalten dachte ich damals, Schartsetseg jedoch wusste nur nicht, wie sie beginnen sollte.
    Ich war behext von diesem Gesicht, auch mein Blut floss in ihm, und ich suchte mich selbst darin. Vom anderen Ufer winkte mir jemand boshaft zu. Nur dass Schartsetseg glaubte, ich wäre wegen der Geschichte gekommen. Wegen des Teils meiner Mutter, den man mir einst genommen hatte, das hatte mir als Kind Angst gemacht.
    Ich hatte den Moment durchlitten, als Mama an einem dünnen Faden hing, als mein Herz Alarm schlug und ein Mann vor dem Ger stand, der nicht unser Vater war, und Mama wollte ihn. Das wusste nur Gelbe Blume. Und sie glaubte, ich würde so lange dort unter der Treppe stehen bleiben, bis sie damit herausrücken würde. Was sie wusste, hätte sie erzählt, sagte sie am Ende.
    Mergen stammte aus der Inneren Mongolei, dem Südteil meiner Heimat, umklammert von der höllischen Großmacht unserer uralten Erzfeinde, dem endlosen Reich der Mitte. Die Innere

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