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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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dessen Geschäfte führte.
    Am Anfang lief es ganz gut, und so lud er, Chinese hin oder her, Mergen, der ohnehin eine Reise in die Gegend plante, zu sich ins Ger ein. Alta war anfangs dagegen, dass ihr Mann überhaupt mit Chinesen gemeinsame Sache machte, es entschied aber das Geld, Mergen war verlässlich, kannte sich in seiner Region aus, und daher funktionierte es eine Zeit lang.
    Am merkwürdigsten ist, dass Tuuleg die ganze Zeit dabei war und Mergen Alta dennoch herumgekriegt hat. Am Anfang kam er nie allein, das konnte er nicht, das kam nicht in Frage, und so hielt sich Tuuleg immer irgendwo in seiner Nähe auf. Sie saßen gemeinsam im Ger, besprachen die Geschäfte, und Alta servierte ihnen Milchtee und abends Wodka.
    Gelbe Blume schloss einen Moment die Augen, und ich sah Mama, wie sie mit ihr zusammen irgendwo inmitten von Heidekraut in einer Mulde saß, und Mama schüttete ihr ihr ganzes Herz aus mit sämtlichen Geheimnissen und verbotenen
Gedanken, wie Nara und ich es früher getan hatten. Nein, Mama konnte keinen blassen Schimmer gehabt haben. Einer käuflichen Frau, einer alten skrupellosen Schlampe, hätte sie sich niemals in den heiligen Dingen der Liebe anvertraut.
    Jeder von Schartsetsegs Tagen beschmutzte, so wie ich die Möglichkeit, sie kennen zu lernen hatte, alles Menschliche, all das Wehrlose und Zarte, das Mama diesem Chinesen gegenüber empfunden hatte, mit Laster. Möglich, dass Schartsetseg damals noch eine andere war. Wie Nara, bevor sie Dschargal kennen lernte. Wer weiß, wann Mama sich ihr damit anvertraut und was Mergen ihr davon erzählt hatte.
    Ich wollte danach fragen, aber Schartsetseg hätte sich dann vielleicht versteift und ich nichts mehr erfahren. Also ließ ich sie ein paar Minuten so sitzen mit ihren geschlossenen Augen, vielleicht überschlug sie im Kopf den Tageserlös oder bedauerte, mit dem Ganzen überhaupt vor mir herausgerückt zu sein. Nach kurzer Zeit aber legte sie wieder los.
    Auf diese Art und Weise kam Mergen mehrere Monate lang von Zeit zu Zeit mit Papa angereist. Alles lief angeblich stets gleich ab. Sie plauderten bis tief in die Nacht. Mama mischte sich in ihre Gespräche nicht ein, sie hätten es ohnehin nicht zugelassen. Einem Mann Ratschläge zu geben, noch dazu vor einem anderen Mann, gehört sich nicht, und auf diese Dinge hat Mama stets Wert gelegt. Hier verstummte Schartsetseg wieder für eine Weile, und ich sah einen Schatten von Verachtung auf ihren harten Lippen.
    Das Einzige, worauf eine elende Frau stolz sein kann. Niemand gebietet ihr.
    Wem wäre daran schon gelegen.
    Dann angeblich wurde Mama unachtsam. Damit fängt es häufig an. Ihre Hände zitterten, so dass die Suppe, wenn
sie mehrere Schalen auf einmal trug, überschwappte und die Schälchen zitterten wie fröstelndes Vieh.
    Die Männer waren in ihre Unterhaltung vertieft, so dass nur sie in Panik geriet, genau bis zu dem Moment, als sie eine Schale mit kochend heißem Tee auf Mergen kippte. Da fiel sie ihm laut Schartsetseg das erste Mal auf. Mergen selbst hätte ihr das gesagt. Als sie das preisgab, verzog Gelbe Blume das Gesicht.
    Papa schrie Mama an, sie solle sich in Trab setzen. Mama nahm einen Schöpfer, vor dem Ger stand ein Fass mit kaltem Wasser, aber Mergen erhob sich und ging ihr nach. Da waren sie das erste Mal miteinander allein.
    Als Mama ihr davon erzählte, konnte Schartsetseg angeblich nicht glauben, dass eine Frau von einer gewöhnlichen verbrühten Männerhand so weich werden konnte. Mama sagte, sie hätte seine Hand genommen, einen Lappen in den Eimer getaucht und ihm den ganzen Handrücken abgewischt. So abgewischt, sagte Schartsetseg und machte mit der Hand in der Luft ein paar kreisende Bewegungen. Mir war klar, dass es in Wirklichkeit völlig anders gewesen sein musste. Sie tauchte den warm gewordenen Lappen immer wieder ein und fuhr ihm über die Hand. Noch nie hätte sie angeblich gesehen, dass ein Mann eine so schöne Hand hatte.
    Schartsetseg grinste spöttisch. Alle Hände sind gleich. Mama hingegen erzählte von hervorstehenden bläulichen Adern, Gelenken, die wie Schädel ausgezehrter Greise von rundlichen Runzeln gezeichnet waren, harten gerillten Nägeln mit großen weißen Halbmonden und ich weiß nicht, wovon noch. Ich weiß das nur von Schartsetseg. Es war unmöglich, sich alles zu merken. Doch es war klar, dass Mama sich von da an nichts mehr weismachen konnte. Er hatte sie.

    Dann drehte Mergen die Hand langsam um, und der weiße schwielige Handteller

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