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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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einer Flasche. Eins der Frauenzimmer half mir auf die Beine, sagte aber, es wäre hier kein Tuuleg aufgetaucht. Ihn suchen zu gehen, da hätte ich lieber eine Fehlgeburt erlitten. Papa hätte das nicht überlebt. Nara sagte damals, Blödsinn, wo sollte er denn herkommen.
    Auch Schartsetseg war er nicht aufgefallen, sie ließ aber verlauten, sollte ich glauben, Papa sei irgendein Grünschnabel, der sich noch nie in einem solchen Etablissement aufgehalten hätte, dann hätte ich keinen blassen Dunst von einem richtigen Mann.
    Als ich schon einen großen Bauch hatte und Nara mir fast jeden dritten Tag einen Typ abnehmen musste, entschloss ich mich endgültig, das Diwaadschin zu verlassen und in die Roten Berge zurückzukehren. Mit einem Säugling durch die Stadt zu zotteln, dazu hatte ich keine Lust. Wer gibt schon
einer solchen Frau Arbeit, und eine Wohngelegenheit war auch nicht in Sicht.
    Nara brachte mir zum Abschied kleine Schuhe für das Baby, sie hatte sich eigens Zeit abgespart, um sie zu nähen, und ich musste versprechen, ihr das Kleine zeigen zu kommen.
    Sie versuchte mich zu überreden, dass es, falls ein Mädchen zur Welt käme, Naranchuja heißen müsse, weil sie einen Film gesehen hätte, in dem die weibliche Hauptfigur so hieß, eine schöne Arbeiterin aus den Zinngruben von Erdenet. Nur kam das nicht in Frage, für ein Mädchen hatte ich schon einen Namen gewählt. Bei einem Jungen war es mir nicht so wichtig.
    Bevor ich mich am Morgen mit meinem Bündel auf den Weg machte, um irgendein Auto zu erwischen, begab ich mich noch einmal, ich weiß nicht, was mir da einfiel, in die alte Wohnung im Sansaar.
    Ein gedrungener unrasierter Kerl in einer Trainingshose und einem schmuddeligen T-Shirt öffnete mir. Sein Gesicht war flach, der Wodka hatte seine Züge verwischt, nur etwas flackerte da noch unruhig in diesen chinesischen Schlitzaugen, etwas aus fernen Zeiten, als er einem reichen Nuudeltschin fast die Ehefrau abspenstig gemacht und sich dann bei ihrer Schwester eingenistet hatte und jahrelang, ohne etwas zu bezahlen, in ihrer Wohnung blieb, Kippen aus dem Fenster schmiss und durch sein ewiges Herumliegen aus der Couch eine schaukelnde Wiege machte.
    Anfangs war er überrascht, dann breitete er langsam die Arme aus, ich tat einen Schritt, und Mergen presste mich fest an sich. Verwirrung erfasste mich, ich kreischte, er solle das Kleine nicht erdrücken, und stieß ihn weg. Er lächelte und maß mich mit seinen wässrigen Augen vom Scheitel bis zur Sohle. Dann bot er mir eine Zigarette an, den Wodka nahm
ich nicht, aber ich ging mit ihm hinein. In der Küche stank es, zwei Ameisenkolonnen zogen die Wand hinauf und hinunter. So übel hatte ich es nicht in Erinnerung. Die Tischplatte war morsch vom ewig verschütteten Fusel und der Lampenschirm zertrümmert. Nur das Fenster stand sperrangelweit offen, auf dem Sims lagen Streichhölzer und Streifen von Zeitungspapier. Mergen hatte immer gerne das Gewimmel unten beobachtet und erkannte fast alle an ihren Hüten. Er sah ganz zufrieden aus, und als er sich nachgoss und eine Zigarette anzündete, schien ihm nichts zu fehlen.
    Er fragte mich, wie es mir ginge, und so schilderte ich ihm in ein paar Sätzen diese ganzen paar Jahre, die wir uns nicht gesehen hatten. Das war im Nu erledigt. Was ich jetzt machte, wusste er von Schartsetseg, da gab es nichts zu erzählen. Er sagte nur, es sei gut, dass ich ein Baby haben würde, dass man damit nicht warten sollte und ich fürs erste Kind bald zu alt wäre. Ich fragte ihn, ob er in seinem Distrikt auch Kinder habe, und er nickte und fügte hinzu, es wäre Zeit, nachzusehen, wie es ihnen eigentlich ginge. Nun rückte er damit heraus, er würde wegfahren. Er wisse nicht, ob er wiederkäme, und wohin denn ich jetzt gehen würde. Ich zuckte nur mit den Achseln. Er bot mir an, hierzubleiben, er würde das mit Gelber Blume schon irgendwie regeln, sie käme ohnehin nur ein paar Mal die Woche her, um aufzuräumen und zu kochen, ansonsten wohne sie im Diwaadschin. Als er sah, wie ich aufatmete, sagte er, er würde noch heute Abend Schartsetseg aufsuchen und dann irgendwo auswärts schlafen. Am Ende ging er nirgendwohin, schlief auf der Couch ein, und zeitig am nächsten Morgen spürte ich, wie Schartsetseg mich genauso rüttelte, wie an dem Morgen vor vielen Jahren, ehe sie mich hinauswarf. Verärgert wirkte sie aber nicht. Sie sagte, es gäbe kein
fließendes Wasser, ich solle zu jemandem im Nachbarblock gehen, mich zu waschen,

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