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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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zurück, um euch zu holen, und zog dann wieder Hauskleidung an. In der Stadt traf sie niemals ein. Bereits vorher aber hatte sie es geschafft, Mergen meine Adresse zu geben, und so hing er tagelang mit Zigaretten und einer Flasche in meinem Fenster und wartete auf sie, auch als bereits sonnenklar war, sie würde nicht erscheinen.
    Wir gewöhnten uns aneinander, sagte Schartsetseg und schaute versonnen, als wäre es um Burchan weiß was Ergreifendes gegangen. Angeblich ist er früher ein wirklich schöner Mann gewesen, mit Gesichtszügen wie ein geschnitzter hölzerner Baatar und mit Gliedmaßen, die Baumwurzeln glichen, stark und hart.
    Warum hätte ich ihn nicht bei mir lassen sollen, ich brauchte auch einen Mann, und, wie gesagt, wir störten uns nicht. Das sagte sie, Wort für Wort, genau so.
    Es überraschte mich, dass Schartsetseg überhaupt die Notwendigkeit sah, sich irgendwie zu entschuldigen. Das hätte ich nicht von ihr gedacht.
    Wenn man es aber genau nimmt, war es dennoch ein Schwindel.
    Bestimmt hatte sie es Mama als schwesterliche Hilfe dargestellt, dass sie diese schwere Last auf sich nahm, und wie Mergen ständig nur trinke und zu Haus hocke und sie ihm
Geld gäbe und nicht das Herz habe, den gebrochenen Burschen hinauszuwerfen. Davon, wie ich zu ihnen kam und sie mich dann hinauswarf, hatte sie nichts erzählt.
    Die Männer sind seltsam.
    Heute sehe ich diese Dinge aber nicht mehr so dramatisch.
    Früher konnte ich nicht begreifen, wie Mama so einen stinkenden Säufer lieben konnte. Und wie er mir so etwas antun konnte. Wo Gelbe Blume ihm doch gesagt hatte, wer ich war, wo er wusste, mit wem er die Ehre hatte, und es kratzte ihn nicht. Es passierte. Ich war ein junges Mädchen, es war ein düsterer Herbstabend, und außer Geld gab ihm Schartsetseg ja nicht allzu viel. Ganz so brutal war er letztlich nicht gewesen. Ich hätte ihn beißen und auf ihn eintreten können, und hatte nichts davon getan.
    Es war richtig finster geworden in der Kammer. Schartsetseg holte von irgendwo eine dünne lange Kerze hervor, betröpfelte sie unten mit Wachs und steckte die Kerze in ein Glas. Dann ließ sie sich in einen weichen abgewetzten Lehnstuhl fallen und ich mich in einen gleichen ihr gegenüber. Auf dem Tischchen zwischen uns lag ein Beutel, daneben ausgeschüttet Ziegen- und Schafsknöchelchen, und ich erinnerte mich an die Knöchelchen von mir und Nara, wo sie wohl steckten, und auch an Chiroko, die aus ebensolchen gelben glasigen Knochen gerne die Zukunft herauslas. Auch über sie wusste Schartsetseg einiges Interessantes. Doch sah sie nicht aus, als würde ich ihr noch etwas entlocken können. Unter ihrem Rock guckten dünne Beine hervor, übersät mit violetten Flecken. Angewidert schleuderte sie mit einem Ruck ihre rosa Pantöffelchen in eine Ecke, verschränkte die Hände hinter dem Kopf, atmete ein paar Mal tief ein und aus und bekam langsam
wieder ihren selbstbewussten Ausdruck, die Mundwinkel bitter verkrampft und in den Augen eine Belustigung über alles, weswegen andere Tränen vergossen. Es war Zeit, sich nach einer ermüdenden Nacht endlich ausschlafen zu gehen.

    Nara hatte sich in den Monaten, während denen ich in der Stadt verschiedene Berufe ausprobierte, völlig verändert.
    Die Tage, in denen wir überhaupt nicht lachten, mehrten sich, und manchmal genügte ein einziges Wort, und schon lagen wir uns in den Haaren. Ich war entsetzt, weil sie mich in manchen Augenblicken an Schartsetseg zu erinnern begann. Ihre Mundwinkel bekamen einen bitteren Zug, und auf alles hatte sie eine Antwort parat. Ihre Zunge war scharf wie eine Rasierklinge.
    Sie war am besten von uns gekleidet, bekam ein Strumpf eine Laufmasche, gab sie sich nicht damit ab, ihn zu stopfen, nein, der Strumpf flog in eine Ecke, wo ein Haufen fast neuer abgelegter Sachen emporwuchs. Sie rauchte erlesene Tamchi, dünne lange Zigaretten, die bei uns überhaupt nicht erhältlich waren, und wenn sie ihre schweren Locken zurückwarf, sie drehte sie jeden Nachmittag mit einem Brenneisen ein, wurde die Luft um sie herum schwer von einem süßen schwindelerregenden Duft, von dem man ohnmächtig zu werden drohte. Wenn ich ihr sagte, ob sie nicht leichtere Blumen versuchen wolle, und mit meinem Fläschchen ankam, brauste sie auf wie ein Drache, und daher ließ ich sie mit Vorschlägen in Ruhe. Auch wenn sie sich den Lippenstift auf den Zähnen verschmierte oder ihr vom Weinen die Wimperntusche zerfloss, behielt ich es für mich.
    Naras Leben

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