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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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rieb, die Haare emporstehen ließ wie einer Wahnsinnigen.
    Einige von uns vergaßen, den Mund zuzumachen, uns fiel vor Erstaunen der Kiefer herunter, wie das alten Leuten passiert. Noch lange danach und auch nie zuvor war das ganze Ger so gespannt: wie ein Raubtier, bereit zum Sprung, wie ein Tarbagan, bereit zur Flucht. Dolgorma sprach lange und mit bewunderungsvoller Anerkennung von Nara, ich jedoch konnte meine Tochter in dieser wohlriechenden Städterin nicht erkennen. Je mehr sich Dolgorma in Begeisterung redete, desto schwerer wurde die Luft im Ger, und von allen Seiten engten die Worte mich ein.
    Kein einziges Wort, kein einziges Zeichen, dass sie am Leben war, waren wir dieser eleganten Zierpuppe jahrelang wert gewesen, und dieses Kind vergötterte sie. Ich atmete auf, weil es ihr nicht schlecht ging, als Tochter war sie für mich aber erledigt.
    Mama hatte mir von ihrem Bruder erzählt, den ihre Familie enterbt hatte. Er hatte seinen Vater verleugnet. Vor Soldaten. Er überlebte. Meiner Großmutter durfte dieser Mann das ganze Leben lang nicht mehr vor die Augen treten. Nara hat nichts Schlechtes getan, sie hat uns nur aus ihren Gedanken gestrichen, und ich wünsche ihr alles Gute, aber sehen möchte ich sie nicht mehr.
    Als später Dzaja kam, wartete ich, bis die anderen weg waren, und fragte sie. Als ihre Mutter und auch als die Mutter ihrer Schwester. Kinder übertreiben, stieß sie hervor, kaum dass ich angefangen hatte. Wir redeten, bis Najma mit einem Bündel Tarbagan auftauchte. Ojuna lief herbei, um ihnen das Fell abzuziehen, und so mussten wir das Gespräch abbrechen.

    Das Einzige, was ich jetzt von Nara weiß, ist, dass sie in irgendeinem noblen Betrieb arbeitet, ordentlich verdient und angeblich oft an mich denkt, sich wegen ihrer Flucht aber fürchtet zu kommen. Sie hat weder einen Mann noch Kinder und trifft sich von Zeit zu Zeit mit Dzaja zu einem Plausch. Wenigstens dass die zwei sich nicht verloren haben, soweit ich zurückdenken kann, haben sie immer zusammengehalten.
    Dzaja kommt ab und zu her, und Dolgorma haben wir jede Ferien hier. Ich halte jeden Sommer für meinen vielleicht letzten, und daher freue ich mich immer sehr, wenn sie kommt, weil ich bis zum nächsten Jahr nicht unbedingt durchhalten muss. Die Gallenblase meldet sich immer häufiger. Tuuleg hat mir alles, was fett ist, zu essen verboten. Wenn ich in meinem Leben aber gar keine Freude mehr haben soll, will ich lieber gleich das Zeitliche segnen. Und gern. Sich der Ärzte wegen derart zu piesacken, nein danke. Ich esse, worauf ich Appetit habe. Mir was aufschwatzen kann keiner.
    Dieses Jahr in den Ferien wohnte Dolgorma mit uns zusammen im Ger. Ich bot es ihr an, damit sie sich bei Ojuna nicht mit den anderen zusammenquetschen müsste. Tsetsegma und auch Zula und Batdschar wollen sich immer noch nicht auf eigene Füße stellen, und daher kann man sich bei denen im Ger nicht rühren. Bei uns ging es ihr gut. Ich war nur für sie da. Tuuleg brauchte zu der Zeit nur mehr Ruhe, ausreichend Milchtee und Tabak, und das alles hatte er bei mir in rauen Mengen. Nur unterhalten konnte man sich nicht mehr mit ihm, und eine junge menschliche Stimme ist meiner Ansicht nach unbezahlbar. Ich bin auch schlecht auf den Beinen. Vor ein paar Jahren sind mir die Fußsohlen angeschwollen. Statt Fußsohlen habe ich seither dicke kleine Kissen. Das macht meinen Gang unsicher und wankend, und Dolgorma hat mir
in diesem letzten Sommer, in dem sie hier war, ziemlich geholfen. Es reichte zu sagen, wohin und was, und ich musste mich nicht von der Stelle rühren. Die Beine hoch und eine einfache Näharbeit in den Schoß, das mag ich. Aufräumen und kochen kann ich noch, aber mit flinken Beinen ist das in der halben Zeit getan, und so bemühte ich mich, alles, sofern möglich, der Kleinen zu überlassen. Nachdem ich mich an ihre zwei linken Städterinnenhändchen gewöhnt hatte, sie nicht drängte und mit den zwecklosen Ermahnungen aufhörte, ist es gut gegangen. Auch dazu, dass ich mir keine Neuerungen im Ger einführen lasse, nickte sie.
    Dzaja hat unlängst aus der Stadt eine Lampe mitgebracht, und das reichte mir. Die Finsternis zum Tag machen, wenn mir um Mitternacht flau wird und ich im Freien frische Luft schöpfen muss, das schon. Mich deswegen aber auslachen zu lassen, da stolpere ich lieber im Dunkeln über die Schwelle und plumpse ins Gras. Respekt vor mir muss sein, und der neumodische Firlefanz schadet da nur. Dolgorma habe ich das gleich

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