Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
Vom Netzwerk:
damit sie nicht ständig ums Ger herum meckerten, hätte sie ein eigenes Gatter gemacht, das Ger auf Hochglanz gebracht und säckeweise Mehl und schneeweißen Reis eingekauft, damit Nara sich um nichts kümmern müsste und sie nichts störe. Und statt es meiner Schwester zu danken, begann ihr Nara in ihr Leben dreinzureden und ging mit Dingen, die nicht ihr gehörten, wie mit ihren eigenen um. Für eine Frau, die von zartester Jugend an auf eigenen Füßen gestanden hat und alles ohne fremde Hilfe bewältigte, ist das beleidigend. Nara war kaum zwanzig und hatte immer mich und Tuuleg hinter sich gehabt.
    So sollte es bei jedem Mädchen sein, aber es beschlich mich der Gedanke, das, was mit Dschargal passiert war, könnte auch mein Fehler gewesen sein, eine gut erzogene Frau hätte einem Mann doch nicht die Hände geküsst, aber trotzdem hätte ihr klar sein müssen, wie leicht sie es verglichen mit Chiroko hatte, und dass es einem so jungen Menschen nicht zustand, Erfahrenen
Ratschläge zu erteilen. Wäre Nara nicht ihre Nichte gewesen, hätte Chiroko kaum Rücksicht genommen, sie hielt sie noch ein paar weitere Monate aus, und am Ende war es dann doch Nara, die das Zauntor hinter sich zuknallte.
    Chiroko sagte, Nara hätte mit uns allen gespielt. Und sogar ihr wäre zum ersten Mal passiert, dass sie eine derartige Fopperei so lange nicht durchschaut hatte. Als sie Nara in den Roten Bergen zum ersten Mal sah, stand in ihren Augen das gleiche Entsetzen, in dem wir lebten, seit das Mädchen sich so verändert hatte.
    Warum aber sollte Nara das getan haben? Warum hätte sie uns so an der Nase herumführen sollen?
    Das Glück, das sie ausstrahlte, als Dschargal zustimmte, sie zu heiraten, war echt gewesen, ich kenne meine Tochter, wie sie aussieht, wenn sie im siebten Himmel ist, und auch ihre Trauer ist nicht gespielt.
    Aber Chiroko ist unbeugsam. Dass sie behauptete, Nara hätte nur in die Stadt gelangen wollen, regte mich auf. Nara hatte doch nicht wissen können, dass sie am Ende bei Chiroko landen würde. Dass sie alles geplant gehabt hätte, sagte mir Chiroko, nachdem meine Tochter vom Erdboden verschluckt worden war. Ich war zu ihr auf Besuch gefahren, und in Chirokos Chaaschaa befand sich gerade der Junge mit den Gummihänden und stopfte sich zusammen mit seinen Bekannten mit großen Stücken des gekochten Fleisches voll, das Chiroko für sie aufgetischt hatte. Sie selbst turtelte unterdessen in einer Ecke mit Seruul und verzog ihr Gesicht, als sie mich erblickte.
    Sie ist nicht da, bemerkte sie nach einer Weile und feixte, als wäre alles nur ein Witz, und das wär’s. Dabei war ich Hunderte Kilometer gefahren, nur um nachzusehen, ob meine Tochter endlich wieder ein frohes Gesicht hatte, von Nara jedoch
keine Spur, und Chiroko hockt neben einem Pferd und tut, als wäre nichts.
    An diesem Tag gingen wir zum ersten und zum letzten Mal im Bösen auseinander, aufgebracht und jede überzeugt von der eigenen Unschuld. Ich hatte gedacht, Chiroko würde für Nara bürgen. Sie hingegen meinte, sie könne nichts dafür, dass ich die eigene Tochter so schlecht erzogen hätte. Ich schüttete die Geschenke auf den Tisch, stürzte zwei Tassen kalten Tees hinunter und machte mich auf die Suche nach jemandem, der in Richtung unseres Somon fahren würde.

    Nie hätte ich gedacht, dass mich ausgerechnet meine Enkelin über meine Tochter aufklären würde. Dolgorma hatte zur Welt kommen müssen, damit ich Näheres über Nara erfuhr. Die Gespräche mit Dolgorma, wenn sie während der Ferien bei uns war, fingen immer wir an. Nach der Stadt erkundigte sich nie jemand besonders, und von dem, was ihre Mutter machte, hatte sie genauso wenig Ahnung wie wir, das stellte sich gleich in den ersten paar Tagen heraus.
    Dolgormas Wort hatte bei uns begreiflicherweise kein Gewicht, und daher hörte sie meist zu und gab nur hin und wieder ihren Senf dazu, wenn wir beispielsweise von etwas sprachen, was mit der Stadt zu tun hatte, und sie uns imponieren wollte.
    Eines Abends, alles war schon beredet, saßen wir still um den Ofen herum, die Gesichter glänzten vor Fett und von der Hitze, und jemand von uns fing von Nara an. Ich glaube, es war Ojuna, und plötzlich benahm sich Dolgorma, als hätte eine Tarantel sie gestochen. Keine zehn Jahre alt, sprach sie von weichem Haar, das die Farbe von Kiefernholz hatte, von langen Wimpern, die eine Brise erzeugten, von duftendem
Zigarettennebel und von einer Bluse, die einem, wenn man das Gesicht an ihr

Weitere Kostenlose Bücher