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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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sind sie nicht. Zula ist zwei Jahre älter und hat eine Nase wie eine rote Mandschin. Einen Buuz statt einer Nase, sagt Tuuleg, und ein Ohr wie Dörrobst. Gleich nach ihrer Geburt meinte Ojuna, sie würde ihr die Härchen darüberkämmen, aber ein derart verschrumpeltes Ohr lässt sich nicht hinter den Haaren verstecken. Ihre Gesichtshaut ist großporig wie ein zum Rasten abgestellter Teig und das zweite Ohr langgezogen wie bei einem Burchan. Hüften hat sie aber breite, und die Brüste sind auch groß. Eigentlich wundert es mich, dass noch kein Mann ein Auge auf sie geworfen hat.
    Die Männer sind anspruchsvoll.
    Tsetsegma ist der Schwester wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Ohren sind allerdings in Ordnung, dafür hat sie so zarte Hände und Füße wie eine unfruchtbare Ziege. Ihre Stimme klingt blökend, und ihr Herz ist ohne Demut. Schon im Chuuchdijn Tsetserleg haben ihr die Kinder Chon’, Chon’ nachgerufen, wenn wir sie abholen kamen.

    Ich musste es ihnen sagen. Würde es genügen, einfach zuzugreifen und sich einen Mann zu nehmen, wären sie schon aus dem Haus. Wären sie nur nicht so stur gewesen. Diese Männer waren nicht schlecht. Keiner von ihnen. Tschojlin war zwar etwas tollpatschig, hätte für Tsetsegma aber alles getan. Seine Familie besaß im Somonzentrum ein Haus, und seinen Vater kannte ich schon als Kind. Die Mädchen hätten sich seinetwegen gegenseitig erschlagen können. Dawaanjam
arbeitete in den Kaschmirwerken. Kaschmir wird immer gefragt sein, und somit hätte das Mädchen Sicherheit gehabt. Aber sie waren ihnen nicht genehm. Alle gingen in die gleiche Klasse im Zentrum, und später ritten Tschojlin und Dawaanjam öfter zu uns her. Tüchtige Burschen. Das ist vor ein paar Jahren gewesen.
    Einmal kamen sie gemeinsam, herausgeputzt wie Nojon bei der Churildaj, und die Mädchen kochten ihnen nicht einmal Tee. Sie liefen davon wie kleine Kinder. Wir saßen mit den Burschen in Ojunas Ger und warteten bis zum Abend. Ojuna schwänzelte den ganzen Nachmittag um sie herum und schickte Batdschar, um nach Zula und Tsetsegma zu sehen. Den Gästen sagte sie, sie wären Preiselbeeren suchen gegangen, und kam vom Hundertsten ins Tausendste. Als die Scheibe hinter die Berge kroch, wussten Dawaanjam und Tschojlin alles über unseren Stamm bis ins fünfte Glied.
    Den Mädchen begegneten sie auf dem Heimritt. Ich sehe nicht gut, aber die vier jungen Gestalten waren auch von hier aus zu erkennen. Klein wie aus Klötzchen geschnitzt. Tschojlin streckte Tsetsegma die Hand hin. Ich hielt die Luft an. Tsetsegma packte Zulas Hand und beide fingen zu laufen an. Erst vor dem Ger blieben sie atemlos stehen und brachen in schallendes Lachen aus. Die zwei herausgeputzten Männer trieben ihre Pferde an und waren nach einer Weile verschwunden.
    Pferdezähne sollen euch wachsen, sagte ich ihnen nachher. Und auch dass sie sich mit eigenen Händen die Grube wühlen, aus der sie niemand herausziehen wird. Alte Jungfern!, schrie ich ihnen nach, als sie fortgingen.
    Ojunas Wort wird in ihrem Ger nicht genügend respektiert. Und mit Najma verhält es sich ebenso. Ich war einmal dabei, als Batdschar keine Antwort gab. Najma fragte ihn
etwas, und er knöpfte sich weiter den Deel zu, als wäre sein Vater ein räudiger Hund. Wenigstens in einem Punkt ist Ojuna aber standhaft. Sie lässt ihre Mädchen nicht in die Stadt. Und wenn sie sich auf den Kopf stellen. Wie sollen wir denn jemandem begegnen, wenn die einzigen männlichen Wesen hier Papa und Batdschar sind, wenn sie abends von der Herde heimkommen, entrüsten sie sich.
    Das Glück, das euch von selbst vor die Füße gefallen ist, habt ihr verjagt, sage ich. Betet und schnappt den erstbesten am Deel, der an euch vorbeijagt. Letztendlich sind die Unterschiede zwischen den Männern nicht so groß.
    Vor ein paar Tagen erzählte mir Ojuna, sie wäre Tschojlin im Somonladen begegnet. Vor ihm stand ein Frauenzimmer und hielt ein verschnürtes Bündel mit einem Baby im Arm. Im Vergleich zu der war Tsetsegma eine Tsarajtaj, eine Schönheit mit der Krone einer Khansgemahlin. Sie wird feuchte Augen kriegen, wenn sie die beiden zusammen sieht.
    Batdschar hat schon gewisse Erfahrungen. Ojuna hat in seinem Deel ein Büschel blauschwarzer, mit einer Schleife umwundener Haare gefunden. Sie war ganz verwirrt, wollte ihn aber nicht fragen. Also ging ich zu ihm. Als ich sprach, lächelte er und streichelte meinen Arm. Er hätte sich aus Yakhaaren einen Talisman gemacht.
    Bei Dzaja habe ich

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