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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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vierzig. Andere in diesem Alter schaukeln ihre Enkel, und sie wartet immer noch auf ein eigenes Kind. Als ich ihr vor ein paar Jahren im Zentrum begegnete, sprach sie von nichts anderem. Jetzt ist es noch ganz genauso. Ojuna war mit Kumys bei ihr und hat mir davon erzählt. Wie soll man ihr beibringen, dass sie schon genug gewartet hat und es nichts mehr wird?
    Die Frauen aus dem Zentrum begannen ihr auszuweichen.
    Wer hat schon Lust, ständig sinnlose Gespräche zu führen über ein Kind, das nie kommen wird? Angeblich soll sie eine ganze Ausstattung für das Baby im Schrank haben. Und sie näht ständig weitere Sachen. Die alten schneidert sie um und kauft Stoffe für neue. So etwas ruft kein Kind herbei und hilft niemandem. Einzig, dass sich die Leute ihren Teil über sie denken werden. Sie tun es ja schon. Im Laden sagte eine Frau zu mir, Anra sei übergeschnappt. Sie zog zwei quengelnde Knirpse an der Hand hinter sich her, und ein dritter saß ihr hinten am Nacken. Während Anra Schuhe näht und über den schönsten Namen nachdenkt, wird Ulantsetseg immer weniger
und antwortet noch nicht einmal mehr auf einen Gruß. Sie hat ihr Leben einem Mädchen geschenkt, dem nie jemand ins Ohr plappern wird, einem Mädchen, das überhaupt nicht hier sein müsste.
    Bordschi, die ging das anders an. Als sie sah, dass Burchan sie nicht beschenkte, nahm sie eine Waise zu sich. Der kleine Arinchuu hatte zwar Eltern, aber er schien für sie gar nicht zu existieren. Nie fuhr er aus dem Internat heim. Später nahm sich Bordschi noch zwei weitere Buben. Der eine ist rotblond, wer weiß, woher ihn sich sein Papa mitbrachte, und der zweite ist wohlgeraten. Klug und gelehrig wie ein Wolfsjunges. Bordschi ist eine gute Mutter, und dadurch wird wenigstens etwas aus den Jungen.
    Anra möchte kein fremdes Kind, also soll sie sich ruhig die Augen ausweinen.
    Mit Chiroko habe ich auch über Kinder gesprochen. Sie liebte es immer, mich zu umarmen, und wenn wir so unter der Decke zusammengekuschelt lagen, ich war damals fast noch ein Kind, erzählte ich ihr alles. Und so kam auch darauf die Rede. Ihre Einstellung war mir nicht ganz klar. Chiroko fühlte sich dabei überhaupt nicht unglücklich. Sie sagte, sie käme genug in den Genuss von Kindern, und ein eigenes brauche sie nicht. Ich will gar keines, flüsterte sie mir ins Ohr, und ich spürte, wie ihre Wangen brannten.
    Mir schoss durch den Kopf, dass meine älteste Schwester die sonderbarste Frau war, die ich kannte. Dann gab sie mir einen Kuss auf die Stirn.
    Was ihr denn fehlen solle? Es stimmt, dass man sich als Frau mit den Kindern genug abplagt und Chiroko keine Zeit hätte, anderen zu helfen, wenn sie sich um eigene kümmern müsste. Ich brächte es nicht fertig, fremde vorzuziehen, wenn
mir Burchan einen fruchtbaren Schoß gab. Vielleicht deswegen und weil eine gewöhnliche Frau das nicht so empfindet, schätze ich Chiroko so.

    Wäre Ojuna nicht, ginge es mir auch nicht so blendend. Ich schenkte mein Leben vier Frauen und habe nur einen einzigen Enkel. Manchmal träume ich davon, dass er eine Braut heimbringt und zu meinem und Ojunas Ger ein weiteres hinzukommt. Das wäre dann schon was. Tuuleg und ich waren mit leeren Händen hierhergekommen und stellten uns das immer vor. Eine große Familie ist fester als Bast.
    Als Tuuleg hier das erste Mal eine Uurga in den Boden stieß, ich erwartete damals Magi, sagte er, bis zum Horizont werden sich die Jurten der Kinder unserer Kinder erstrecken.
    Ich spürte, dass mir diese heiße Welle, die aus meinem Bauch bis zum Hals hochstieg, den Atem nahm. Es war einer der Momente, in denen wir einander versprachen, wir würden, im Guten wie im Bösen, immer zusammenbleiben.
    Tuuleg wollte von Anfang an viele Kinder, nachdem ich aber Mergen kennen gelernt hatte, schlief ich nur mit ihm, wenn es unumgänglich war. Ich wusste, er würde dann netter sein, und das war gut für alle. Ich tat es hauptsächlich wegen der Kinder.
    Mit Mergen war das anders. Mit Mergen lernte ich kennen, was es heißt, wenn ein Frauenkörper ganz betäubt ist und die Küsse mit jedem weiteren immer besser schmecken. Wenn Männerhände die Haut versengen und ein bittersüßer Schauer über den Rücken läuft. Wenn ich von einem Mann nicht deswegen ein Kind will, weil ich ein Baby an der Brust hätscheln möchte, sondern weil ich mich danach sehne, ihn für immer in meinem Schoß zu halten.

    Das hatte ich mit Tuuleg nicht erfahren. Und deshalb machte mir Mergen gleich in der

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