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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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waren das ganze Leben lang nur aufgeblasene Gören, kopflose Mädchen, die nicht wussten, dass sie sich einen Mann hätten suchen müssen. Und jetzt hockt eine von ihnen hier vor dem Ger, ein graues verfallenes Gesicht, das auch ohne Worte ihren Kummer in die weite Steppe schreit, ständig tut sie so, als hätte sie hier irgendwelche Rechte, als hätte ich mein Leben mit geschlossenen Augen gelebt, ihre Lappalien dagegen wären irgendwie außergewöhnlich.
    Hinsichtlich meiner Person bestanden nie Zweifel.
    Ich entspross zwei reinen, stolzen Mongolenstämmen, ich musste nie den Kopf zur Erde neigen, und wenn mich ein paar Mal schiefe Blicke streiften, war es immer ein Irrtum. Diese Augen suchten meine Schwestern, und ich ließ sie stets an
meinen Pupillen abprallen, so wie man mit entgegengehaltenem Schild eine Attacke abwehrt, weil wer in meine Augen blickte, keine versteckte Angst und keine Schuld in ihnen fand.
    Jedes Kind ist ein kleines weiches Bündel. Bösen und Unreinen werden genauso zarte bläuliche Bündel geboren wie anständigen Leuten, und jedes pulsiert vom gleichen überstürzten Herzschlag eines Vogels. Ich sagte nie, Dzaja wäre ein dreckiger Erliiz, obwohl das manche denken, und es sind sogar im Zentrum geachtete und auch sonst ehrwürdige Leute darunter. Ich sagte das nie. Aber Dzaja hat wie ein Erliiz gelebt, Dzaja hat sich ihr Leben nicht ordentlich eingerichtet, und ich habe nie aufgehört, für sie nur die kleine dumme Ojuna zu sein, auch als ich schon meinen eigenen Mann hatte und sie nur immer wieder hinter den Bergen verschwand und dann mit Geschenken und nassen Augen aus der Stadt zu uns zurückkehrte.

    Ich zögerte nicht, ich wollte nach der Schule weder im Zentrum bleiben, noch dass ich es irgendwie angestrebt hätte, in die Stadt zu ziehen. Mama und Papa waren mir dafür immer dankbar. Ich dachte zeit meines Lebens an andere.
    Ich war ja nicht von klein an von Mama umhegt worden, um dann, sobald ich mich auf eigene Füße gestellt hätte, nur eine Wolke aufgewirbelten Staubs in den Roten Bergen zurückzulassen. Wie viele graue Haare sie und Papa sich meinetwegen eingehandelt haben müssen. Das zahlt man doch irgendwie zurück.
    Ich strengte mich an, und Mama gab alles an mich weiter, was sie von Großmutter Mira hatte, auch die Beschwörungsformeln, die Großmutter Dolgorma zwischen den Zähnen
hervorzupressen pflegte. Die hat ihre Sachen gehütet, und bei ihrem Tod ist das meiste verloren gegangen, was ihr Mama aber hatte entlocken können, weiß ich und niemand anderer. Dzaja hat ihrer kleinen Dolgorma mit Großmutter den Kopf verdreht. Großmutter hat ein paar Dinge gekannt, die sonst niemand kannte, aber es waren nicht viele und nur ein Bruchteil wiederum von dem, was ihre eigene Mutter sie gelehrt hatte.
    Früher verfügten alle über größere Kenntnisse dieser Art, heute dagegen glaubt jeder, wenn er klarkommt in der Welt, wie man so sagt, dass er dann getrost zusammen mit den Körpern seiner alten Eltern alle Kenntnisse seiner Vorfahren ruhig den wilden Tieren überlassen kann. Niemand legt mehr Wert auf diese Dinge. Will man das Gute, fährt man schlecht. Biegen lassen sich nur junge Ruten.
    Rate ich Tsetsegma, einen Mann zu heiraten, solange sie jung ist, weil sie sonst in ein paar Jahren schnell nach einem, der dann noch übrig ist, greifen muss, regt sie sich auf.
    Soll ein Bergalmas sich Batdschar fangen in seinen Tatzen, wenn er sich mit Tsetsegma zusammentut und sich darauf versteift, dass wir den Owoo nicht wie üblich dreimal mit dem Auto umrunden werden, weil der Laden im Somonzentrum nur bis fünf offen hat und wir genauso gut auf dem Rückweg halten können.
    Was hat ein Rückweg damit zu tun, dass wir unserem Owoo heiligen Respekt schulden?
    Sie schweigen, und ich stehe da wie ein altes Weib.
    Jedes Mal, wenn meine Kinder mich zum Narren machen, zittere ich und sage mir: Dzaja hat ihr einziges Kind nicht einmal zu so viel Anstand erzogen wie ich meine drei, und Naras Schoß ist kein einziges Mal erblüht. Ich kann froh sein.

    Dzaja war gierig. Wenn wir Neujahrsbuuz hatten, schaufelte sie sich die Schale so voll, dass ihr die Teigtaschen wie fette Fische über den Rand glitten. Fielen sie auf den Tisch, gelang es Dzaja meistens, sie mit der Hand zu schnappen und sich den heißen Bissen ins Maul zu werfen, wenn aber ein Buuz flach auf dem Boden aufschlug, gab es ein lautes Klatschen, Papa blickte vom Essen auf und gab Dzaja einen Stoß in den Rücken. Aufgegessen

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