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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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ständig vor ihren schwesterlichen Pflichten gedrückt.
    Magi war ziemlich gewissenhaft. Ich erinnere mich, wie sie mir stets in die Schuhe griff, ob ich nicht mit nassen Füssen
herumtrippelte, und nach dem Essen fragte sie mich, ob ich genug gehabt hätte. Die zwei machten das nie.
    Böse Taten verflüchtigen sich aber nicht, die Bösen werden vom Unglück verfolgt, und alle Vergehen kommen zurück. In diesem Leben oder in einem anderen, aus der Welt verschwinden sie jedoch nicht. Ich erinnere mich an alles aus meiner Kindheit.
    Dzaja vermutlich nicht. Schneide ich etwas von früher an, verdreht sie beleidigt die Augen, schweigt und verzieht gekränkt den Mund.
    Hätte sie nur einmal ihr verdrossenes eingebildetes Gesicht gesehen, wenn unsere Mutter mich ihr in die Arme drückte, dabei wollte ich gar nicht zu ihr, aber jemand musste sich um mich kümmern, würde sie jetzt nicht so getroffen den Zopf herumschleudern, wie nur sie es kann. Ich hatte immer genau gewusst, dass Dzaja mich, sobald sie mich geschnappt hatte, in der nächsten Sekunde irgendwo einsperren oder hoch oben absetzen würde, von wo ich nicht herunterklettern könnte. Ich kannte das schon. Aber Dzaja hat kein Gedächtnis.
    Ich muss in dieser hässlichen, gebeugten Frau immer das Mädchen sehen, das in den Bergen hinter Steinen versteckt über meine Tränen lachte, und bei den Ausflügen mit Dzaja kam mir unzählige Male der Gedanke, Mama würde mich vielleicht nie wieder sehen.
    Mich liebte Mama am meisten.
    Nachdem ein wilder Hund mein Gesicht verunstaltet hatte, konnte mir meine Mama niemand mehr wegnehmen. Sie gehörte mir, und das ganze Ger wusste das.
    Dass sie in der Schule die Beste war, hat Dzaja nichts genützt, im Ger war, nachdem Magi gestorben war, ich die Hauptperson, und daher ging sie fort.

    Sie glaubte, keiner wüsste, dass sie gut war, brauchte immer um jeden Preis Anerkennung, klein und schwach war aber ich, und daher gab sich Mama nicht so viel mit ihr ab. Jede Frau hat ihre Kinder gleich gern. Von einer gewissen Zeit an war Dzaja jedoch die Älteste und vor allem ein Erliiz, da musste sie sich nicht groß wundern. Der Mutter am Herzen liegen die Kleinen, die Älteren müssen sich selbst um sich kümmern. Ich fürchtete mich vor Dzaja und dachte mir daher so Sachen über sie aus. Mama drückte mich an sich, schloss mich in ihre Arme, und in Mamas Haare atmend, lauschte ich Dzajas empörten Erklärungen und steckte mein Gesicht in Mutters Deel, um den vernichtenden Blicken meiner Schwester auszuweichen.
    Am nächsten Tag zog sie mir hinter dem Ger den Deel hoch. Nara passte auf, ob niemand kam, und mein Schluchzen erstarb im Blubbern der Töpfe und in den undeutlichen Geräuschen, die aus dem Ger drangen. Nara gehorchte Dzaja immer bei allem. Wenn Dzaja weg war, brachte mir Nara bei, Blumen zu bestimmen und essbare Wurzeln zu suchen, mit ihr zusammen aber war sie wie verwandelt. Ich wusste, dass auch sie vor Dzaja Angst hatte, und umso mehr erschreckte sie mich dann mit ihr gemeinsam und dachte sich die schwierigsten Aufgaben für mich aus, um vor ihr gut dazustehen.

    Einmal schickten sie mich Argal von wilden Bergziegen holen, als ich aber unseren eigenen brachte, von Papas Vieh, ließen sie sich täuschen. Mit Lügen und Schummeleien kann man sich vieles erleichtern. Was anderes habe ich von meinen Schwestern nicht gelernt.
    Von Natur aus war mein Herz aber nicht bösartig, wie das Herz unserer Dzaja, dieser von Hohn verkrampfte und von
den Gängen von Würmern durchzogene Klumpen, und so legte ich mit der Zeit diese kindische Heimtücke ab.
    Wenn Papa uns zusammenrief und uns Sachen erklärte, hörte ich zu.
    Wenn Mama meine Hand ergriff und mir das Melken beibrachte oder mir ein Schabeisen in die Hand drückte, weil ich etwas enthäuten sollte, weigerte ich mich nicht.
    Ich wusste bald, wie die Dinge laufen und dass es anders nicht möglich ist und aus dem anderen meist nur Unglück entsteht. Das alles wusste ich schon mit vierzehn. Ich war die Jüngste und konnte die anderen nicht belehren. Daher muss ich es jetzt tun, jetzt, solange man mich im Ger nicht anschreien kann, weil ich mich, wenn Batdschar mir mit den Händen eine Stufe macht, durch die ich hinaufkann, auf einem Pferd auch noch mit den Jungen messen kann, und solange ich noch irgendeine Arbeit verrichte, kann mir niemand das Wort durch ein Hüsteln abschneiden und auch nicht meinen Ratschlägen widersprechen, obwohl ich einmal die Jüngste gewesen bin.
    Die zwei

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