Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
tiefen Schatten ertrunken.
Sie streckte die Hände vor sich aus und tappte mit dem vorsichtigen Schritt einer Blinden zurück in ihr Zimmer. Sie wusste, wir würden ihr die Brille zurückgeben. Sie schrie nicht. Wir krümmten uns vor Lachen. Ohne Brille machte sie einen ganz lieben Eindruck.
Mergen redete chinesisch mit ihr. Liuli sagte, das sei so eine Geschichte. Eine Frau. Mergen. Die Frau böse. Mergen gut. Dann böse. Bestraft die Frau. Sie grinste und zeigte mir die blauen Flecken. Liulis Mongolisch reichte akkurat für ein Freudenmädchen.
Ich wusste, dass Schartsetseg einen Mann hatte, kapierte auch bald, dass es sich um den gleichen Mergen handelte, mit dem Liuli herummachte, dass aber auch noch Mama und meine Schwester auf irgendwie schmutzige Weise in die Sache verwickelt waren, konnte ich mir in meinem Kopf nicht zusammenreimen.
Als Dzaja mir sagte, was zwischen ihr und Mergen passiert
war, fand ich kein einziges Wort, das ihr irgendwie hätte helfen können. Diese drei Schicksale sind ineinander verzahnt. Ich konnte nur sagen, dass auch mein Vater ein Zugewanderter war, und bezüglich des Verrats an Mama, dass immer der Mann derjenige ist, der bei solchen Dingen die Linie vorgibt.
Die Frau entscheidet nicht.
Es war schließlich nicht ihre Idee gewesen. Also was solls. Das alles hätte ich Dzaja sagen können.
Stattdessen aber sagte ich ihr, es wäre ohnehin alles egal, wir leben nur einmal in unserer Gestalt, und lud sie in den Ausschank ein zu einem Schnaps.
Wir hockten die ganze Nacht dort. Wir, die wir im Diwaadschin arbeiteten, bekamen die Getränke zum halben Preis. Ich hatte mich schon lange nicht so besoffen. In der einen Hand hielt ich Dzajas Hand und mit der anderen hob ich abwechselnd das Glas und kratzte mir die von Flohbissen übersäten Schenkel.
Ich wollte von Anfang an, dass sie mit mir im Diwaadschin wäre. Als sie kam, dachte ich, Burchan höchstselbst wäre es, der sie mir zugeführt hatte. Und als sie zum zweiten Mal kam, wusste ich, jetzt würde sie nicht mehr gehen. Mein Herz hellte sich auf wie der Himmel von Ulan Bator beim Jubiläumsfeuerwerk. Ich tat alles, damit sie bliebe. Ich schickte ihr, unter dem Vorwand, ich hätte keine Zeit, meine Stammkunden, damit sie von Anfang an eine Menge Geld hätte, und wenn sie sich ausruhen wollte, weil sie nicht daran gewöhnt war, nahm ich die Kunden wieder zurück. Mit der Zeit hatte jede von uns ihre Typen, die regelmäßig kamen, und das sicherte Dzajas Existenz, auch als sie schon mit Dolgorma zusammenwohnte.
Dolgorma hat uns der schwarze Mangas eingebrockt. So eine Bescherung.
Ich stürzte gleich zu Schartsetseg, damit sie Dzaja von Chiroko erzählte. Ich selbst hätte meiner Schwester unmöglich raten können, unsere bescheidene Sippe um eine neue Generation zu bringen. Ich wollte nicht, dass aus meinem Mund Wörter fielen von einem Messer, ich wollte nicht als Halsabschneiderin dastehen und wählte daher den Umweg über Goldene Blume.
Schartsetseg musste es auch ohne mich klar gewesen sein. Dzaja aß für vier, und welche Puffmutter hätte eine ihre besten Vorarbeiterinnen verlieren wollen?
Ich war zweimal bei der japanischen Hexe. Habe zweimal mit meinem Ansinnen und mit Taschen voll Geld Chiroko aufgesucht. Das erste Mal, kurz nachdem ich im Diwaadschin anzuschaffen begonnen hatte. Ich war noch jung und von diesem Bauch ganz aus dem Häuschen. Ich erbrach mich. Mein Magen hob sich, als hätte ich den Bauch voller Fischflossen, und bei der Vorstellung, einen kleinen Bastard am Hals zu haben, den ich auch noch gernhaben müsste, hob er sich auch. Ein Leben, entstanden aus diesem weißen Batzen, den gesichtslose Männer in mich hineinschossen, das nicht. So ein Kind würde ich irgendwann umbringen. Und es daher lieber gleich tun. Das waren meine Gedanken.
Aber ich ging nicht sofort, und das war schicksalhaft.
Als ich Schartsetseg endlich sagte, wohin ich ginge und warum, bellte sie, das sei gut und ich solle keine Angst haben. Ich wollte es irgendwie alleine schaffen, fürchtete mich aber, und endete daher schließlich, die Finger in meine Handflächen gekrallt, an dem bekannten Ort, wo sich die Jurten
mit der Steppe mischen. Weiß, grün, weiß, grün. Chirokos Chaaschaa.
Sie schrie mich gleich vom Tor aus an, kaum dass sie mich bemerkt hatte. Ihre ironische Gratulation ließ mich kalt. Ich wollte die Sache so rasch wie möglich erledigen, sollte die Hexe ruhig brabbeln, was sie wollte. Hauptsache ich würde das Ding
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