Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
gab, als sie aus den Roten Bergen kam. Diesen Tawag zu polieren.
Die Brille dort benützte Mergen zum Lesen. Wenn er für seine Zigaretten eine Zeitung zerriss, sparte er die Artikel aus, die er irgendwann lesen wollte. Diese Zeitungsteile mit zerfransten Rändern häuften sich dann jahrelang auf dem Regal.
Das einzige bedruckte Papier, das zu haben war, als Dzaja hier wohnte.
Ich packe damit Obst- und Gemüseschalen und ausgelaugte Teeblätter ein. Ein paar letzte Seiten sind noch übrig.
Als meine Schwester hier wohnte, kaufte sie in einem Anfall von Enthusiasmus jede Menge Blumentöpfe mit Pflanzen.
Flachblättrige, dickblättrige, welche mit gelenkartigen Stämmen und stacheligen Nadeln. Das war das Wichtigste, was sie mir ans Herz legte, als sie fortging. Gießen.
Jede Pflanze mag aber etwas anderes, und daher geht es immer mindestens der Hälfte schlecht. Gieße ich wenig, sind die Stachligen zufrieden, aber die Flachblättrigen welken, und ihre Stämmchen knicken ein. Gieße ich viel, freut das nur die Flachblättrigen, die Übrigen verfärben sich dunkel, und das Wasser in den Tiegeln stinkt.
Seit ich sie das letzte Mal umgetopft habe, ist das Fensterbrett voll Erde. Den Besen hat sich die Baldan ausgeborgt, ihr Hund wird nie lernen, sein Geschäft auf der Straße zu erledigen. Ich sagte ihr, der Hund eigne sich nicht für einen Plattenbau, aber sie ist wie ein Kind. Eine Frau vom Land, die sich nie eingewöhnt. Die Fenster verklebt sie mit Zeitungen, anstatt sich ein Stück Stoff zu kaufen, und die Baldankinder klettern ständig im Gang auf den Röhren herum, hangeln sich hin und zurück und spucken die Schalen von Zedernsamen auf den Boden.
Meine Wohnung ist auch nicht irgendwie extra. Als Gelbe Blume in die Stadt kam, wohnte in diesem Loch eine alleinstehende Frau. Ihre Söhne waren schon verheiratet und alle Töchter unter der Haube, die Fenster vor Schmutz gerade noch durchsichtig, und die ganze Wohnung roch dumpf und muffig und nach alter Frau. Gelbe Blume griff sich immer an
die Nase, wenn sie mir davon erzählte, und ihre Mundwinkel zuckten vor Lachen. Sie war billig zu der Wohnung gekommen. Die Alte brauchte nur ein bisschen Betreuung und die Wohnung kochend heißes Wasser und Seife. Es war klar, dass diese Greisin es nicht lange machen würde, grinste Schartsetseg. Für solche Dinge hatte sie einen Riecher.
Die Oma war binnen eines halben Jahres hinüber, und Gelbe Blume hatte eine Bleibe, auf die Provinzler jahrelang warten und für die sie in den Ämtern Wodka austeilen und aus ihren Deelärmeln in alle Richtungen Bonbonnieren zücken, und sogar dann ist es nicht sicher.
Als ich kam, war die Wohnung schon wieder von Schmutz überzogen, und hat sie vorher nach Altweibermief gestunken, war damals schon jahrelang Mergen in ihr konserviert. Wie eine Gurke im Gurkenglas, inmitten des säuerlichen Gestanks von Alkohol, der sich eingefressen hatte in die Teppiche, den Plüschüberwurf der Couch und die diversen Zierdeckchen auf den Schränkchen und in die Schaumgummisitze der Stühle, die Schartsetseg mit Kunstfaserüberzügen versehen hatte, um allem einen lauschigeren Anstrich zu verleihen. Mergen war in alles hineingewachsen.
In der verstaubten Vitrine hatten früher ein paar verzierte Moskauer Gläser gestanden. Als Mergen wegging, war es wie mit diesen Stakany. Eine leere Stelle blieb zurück. Die Gläser hatte Dzaja einmal für Wodka verscherbelt. Mergen hatte sie ihr in die Hand gedrückt, und nach ein paar Minuten brachte meine Schwester erstklassigen Kublaj.
Auf diese Art und Weise war noch mehr verschwunden, Mergen übte keinen Beruf aus. Die Schnapsgläser jedoch waren sein Eigentum gewesen. Auf ihrer Vorderseite befand sich ein kleines Oval und in ihm winzig klein der Rote Platz. Sechs
hatten dort gestanden. Zurückgeblieben waren sechs dunkle aus dem Staub herausgeschnittene Kreise.
Das hatte mir Dzaja erzählt. Mir waren die Verhältnisse in dem Kabuff zur damaligen Zeit nicht bekannt.
Gesehen habe ich Mergen nur einmal, gehört aber oft.
Das Zimmer neben mir im Diwaadschin gehörte einer Schlampe, bei der er manchmal auf einen Sprung vorbeikam. Sie war Chinesin und hieß Liuli oder so ähnlich und war die einzige Nutte mit Brille, die ich je kennen lernte. Ohne ihre Brille war sie aufgeschmissen. Manchmal, wenn sie die Brille ablegte, um sich das Gesicht im Lavoir abzuspülen, war sie plötzlich verschwunden. Ohne sie sahen ihre chinesischen Schlitzaugen eingefallen aus, in
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