Kurzgayschichten
feuchten Augen. Schwein gehabt!
Was muss er auch jedes mal unangekündigt ins Zimmer platzen, genau wie meine Mutter, Privatsphäre ist in diesem Haus ein Fremdwort, schließlich sind wir eine Familie.
Nur bezweifle ich, dass meine liebe Familie unglaublich scharf darauf wäre ihren einzigen Sohn wichsend mit einem Bild von seinem besten Freund in der Hand vorzufinden.
Ich danke Gott dafür, dass der Flur so knarrt, dass man die Personen rechtzeitig hört, bevor sie unangemeldet hereinschneien kann, und ich danke den modernen Verhütungsmethoden, dass ich ein Einzelkind bin.
Ein jüngeres Geschwisterchen wäre mein sicherer Untergang, ein älteres würde mich in die Enge treiben bis ich unter Heulkrämpfen gestehen müsste, dass ich schwul bin und da man sich quasi auf der Pelle saß, würde der Bruder oder vielleicht auch die Schwester jede Situation ausnutzen um sich selbst in den Vordergrund zu stellen.
Geschwister sind nichts anderes als Zwangsgesellschafter, die einem entweder einen guten Freund ersetzen, was quasi unmöglich ist wenn man sich in- und auswendig kennt und sich schon nach den ersten zwei Jahren auf den Geist geht, oder man hasst sich von Anfang an, weil der Ältere die meisten Rechte hat.
Der Flur knarrt wieder verdächtig und ich greife nach dem Buch.
Kurz darauf öffnet meine Mutter die Tür. Sie streicht sich ihre langen dunkelblonden Locken zurück, für die ich sie heimlich beneide, und lächelt gutmütig. In ihrem hellrosa Schlafkleid hat sie Ähnlichkeit mit einer Tänzerin, sie sieht noch verdammt jung aus für Ende dreißig, eine echte Schönheit.
„Gute Nacht, mein Liebling, lern nicht mehr so viel, ja?“ Sie will mich wie immer auf die Stirn küssen, aber ich kann sie noch rechtzeitig davon abhalten, ehe sie bemerkt, dass ihr Sohn eine weinerliche Mimose ist.
„Ich bin etwas erkältet, Mom, du steckst dich sonst noch an und dann haben deine Kleinen zu viel Schulausfall!“
Meine Mutter ist Grundschullehrerin für Mathematik und Deutsch und beliebt bei allen, die Nettigkeit und Hilfsbereitschaft in Person.
„Du hast recht, gute Nacht und wenn es bis Montag nicht besser ist, gehen wir zum Arzt ja?“
„Ist gut ...“
„Nacht, mein Liebling!“
„Nacht, Mom!“
Sie geht leichtfüßig aus dem Zimmer und schließt die Tür leise hinter sich.
Endlich Ruhe. Ich greife nach dem letzten Stück Schokolade und schmeiße das Buch in irgendeine Ecke, werfe mich dann in voller Länge aufs Bett und starre an die Decke. Das Leben kann so schrecklich kompliziert sein. Ich weiß, was ich jetzt brauche!
George!
Ich krame nach meinem Handy und wähle die Nummer, warte, bis er endlich ran geht, eine Minute, das ist Rekord!
„Ja?“, fragt er, obwohl er genau weiß, dass ich es bin, schließlich hat er meine Nummer ja auch eingespeichert.
„Hi, ich bin’s!“
Er quietscht in einer Stimmlage, die einem normalen Siebzehnjährigen eigentlich verwehrt sein sollte und stößt Jubellaute aus als würden wir heute zum ersten Mal seit zwei Jahren miteinander reden, dabei sind es nicht einmal zwei Tage her.
„Was ist los Schwesterchen, wieder Kummer mit Blondie?“
Ich seufze als Antwort.
„Ach Honey, was machst du nur, kannst du dich nicht in einen anständigen schwulen Zivi verlieben? Muss es ausgerechnet dieser blonde Stier sein?“
„Du verstehst das nicht, George ...“
„Zur Zeit nenn ich mich Georgius, das hat was stark Maskulines“, spricht er dazwischen und kichert wie ein kokettes Mädchen.
„Du redest immer an mir vorbei!“, protestiere ich und er entschuldigt sich quietschend, dass ich den Hörer etwas abhalten muss.
„Herzchen, ich will dich doch nur ablenken, das mit dem Heterotierchen kann einfach nicht laufen, sieh es doch endlich ein, Heteros werden nicht einfach zu Schwulen wie in diesen grottenschlechten kitschigen Homoromanen!“
„Ja, ich weiß ja, aber ich kann ihn mir einfach nicht abgewöhnen ...“
George seufzt übertrieben theatralisch und stößt immer wieder Verzweiflungslaute aus, stöhnt, holt übertrieben laut Luft.
„Häschen, du brauchst endlich einen Mann, so kann das nicht weiter gehen!“
„Toll, zauber mal einen her, der auf so hässliche Strebertypen wie mich steht!“
Ein entsetztes Quieken, dann fährt er entrüstet fort.
„Du bist doch nicht hässlich, Peter, mein Engelchen, sag so was nicht, nicht mal im Scherz, mein Hübscher!“
„Na, ist doch so!“
„Wenn du jetzt hier wärst, würde ich dich windelweich
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