Kurzgayschichten
„Mäuschen“ bezeichnet zu werden, aber man kann dieser Frau einfach nicht böse sein.
„Na, gut geschlafen?“
Ich setze mich zu ihr an den Küchentisch und lasse mir Tee einschenken.
„Ja, so ziemlich ...“, antworte ich knapp und sie scheint zufrieden.
In freudiger Erwartung auf die erste Stunde schneide ich mein Brötchen auf und vertilge es ganz ohne Belag.
„Mäuschen, du kannst das Brötchen doch nicht nur mit Butter essen, dann kommt ja nie etwas an dich ran!“
Fein, immer noch Salz in die Wunde geben und hinterher kratzen. Gut, ich bin nicht gerade dick und habe nicht einmal den Hauch von Muskeln, aber muss ich ständig darauf aufmerksam gemacht werden? Ich sehe ja sowieso schon aus wie der letzte Streber, aber muss ich auch noch die Figur einer Lusche haben?
Meine Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.
Vor lauter Frust stecke ich mir noch ein halbes Brötchen in den Mund und verabschiede mich dann kauend von meiner Mutter um den Bus noch rechtzeitig zu bekommen.
Eigentlich hasse ich Busfahren, aber die Alternative wäre von Papi zur Schule gefahren zu werden und sich zum letzten Depp zu machen. Da würde ich freiwillig lieber die Acht Kilometer laufen!
Ich setze mich auf einen freien Platz in den hintersten Reihen und versuche so unauffällig wie möglich zu wirken, damit sich keiner neben mich setzt. Wer will schon neben einem Streber sitzen? Dafür brauche ich nicht mal mehr Übung oder besondere Begabung, ich bin auch so unauffällig genug. Seufzend schaue ich aus dem Fenster und betrachte die vorbeiziehende Landschaft. Es dämmert langsam und irgendwie wirkt alles noch verschlafen, nicht nur die sonst so aufbrausenden Gören im Bus.
Endlich hält der Bus in der Nähe der Schule, sodass ich nur noch wenige Schritte zu gehen habe.
„Na, Kleiner, alles klar?“
Ich habe Leon gar nicht bemerkt, der dicht hinter mir geht und irgendwie mächtig müde aussieht. Die Augenringe und das kurze verwuschelte Haar sprechen für sich.
„Na, wieder aufgeblieben bis zum Exzess?“
Er gähnt lauthals und schüttelt den Kopf. „Ne, konnte irgendwie nicht einschlafen ...“
Schweigend betreten wir den Umkleideraum, in dem schon reges Treiben herrscht. Einige bewerfen sich mit Klamotten und Handtüchern, andere verstecken gegenseitig ihre Schuhe. Der übliche Kinderkram eben. Gewisse Dinge ändern sich auch in der Sekundarstufe II nicht.
„Steffen hat ’nen kurzen Schwanz!“
Der Angesprochene rächt sich mit einem: „Dafür kriegst du keinen hoch, Tim!“
Und so dröhnt es von allen Seiten.
Als Leon sich jedoch auf der Holzbank niederlässt, gilt fast die gesamte Aufmerksamkeit ihm.
Man unterhält sich über Fußball und was man das Wochenende so gemacht hat, wer welche Tussi rumgekriegt hat und so weiter.
Ich ziehe mich stillschweigend um und werfe immer wieder flüchtige Blicke auf Leons entblößten Oberkörper, der beim Reden kaum mit Ausziehen hinterherkommt. Seine dunkelgrünen Boxershorts von After Eight quittiere ich mit einem Grinsen.
Wenn er sich bewusst wäre, wie viel geiler After da wirklich ist, würde er wohl auf das grüne Ding verzichten.
„Fertig, Pete?“
Ich mag es, wenn er mich so nennt und mein Herz hüpft vor Freude, als er nach mir fragt. Ich hätte es ihm jedenfalls nicht verübelt, wenn er mich in dem ganzen Trubel einfach vergessen hätte.
Wir stellen uns wie immer an die große weiße Linie und Herr Hacke mustert uns schon mit zusammengezogenen buschigen Augenbrauen.
Als endlich alle da sind, beginnt er mit seiner üblichen Prozedur. Er schreitet die lange Jungenreihe auf und ab und mustert jeden durchdringend.
Mädchen gibt es in unserem Sportkurs nicht, Jungs und Mädchen werden ab der zehnten Klasse getrennt.
„Sport frei, Jungs!“, kommt es in der typisch kratzigen Art und Weise von ihm.
„Sport frei!“, antworten wir eher weniger begeistert im Chor.
Wieder schreitet er auf und ab, als hätte er einen irrwitzigen Plan zu durchdenken.
„Lenzmann, vortreten!“
Angesprochener tut wie geheißen und fährt sich durch die zehn Zentimeter langen Haare.
„Was ist das da an deinem Ohr?“ Er deutet mit seinem Wurstfinger an das rechte Ohr des Jungen und scheint ehrlich verärgert.
„Ein Ohrring!“, kommt es lässig von Hannes Lenzmann, der den Blick des Sportlehrers amüsiert erwidert.
„Das sehe ich! Rausmachen!“, befiehlt Hacke, aber Hannes scheint sich nicht wirklich beeindrucken zu lassen.
Hannes spielt zusammen mit Leon in einer
Weitere Kostenlose Bücher