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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Aufzug in eine geradezu luxuriös ausgestaltete Eingangshalle brachte. Häberle prüfte im Vorbeigehen an einem Spiegel den Sitz seines dunkelblauen Jacketts und der hell gestreiften Krawatte, die er sich gerade noch umgebunden hatte, denn er wollte nicht wie der legendäre Fernsehkommissar Schimanski daherkommen. Er entschied sich für die Schwarzhaarige unter den drei Empfangsdamen, nannte seinen Namen und den Grund seiner Anwesenheit und wurde sogleich telefonisch angemeldet.
    Es dauerte noch einmal fünf Minuten, bis ihn eine junge Dame abholte und mit ihren High Heels und ihrem knappen Sommerkleid vor ihm zum Aufzug stöckelte. »Frau Vogelsang-Klarsfeld lässt bitten«, hatte sie nach dem Begrüßungshändedruck geflötet. Im Aufzug drückte sie den Knopf für die 14. Etage. Häberle überlegte, ob er in dieser begrenzten Zeit der Zweisamkeit eine Konversation beginnen sollte, beschränkte sich aber auf ein charmantes Lächeln. Oben angekommen ging es über einen mit dicken Teppichen ausgelegten Flur zum Allerheiligsten, wie der Ermittler es empfand. Immerhin musste er zwei Vorzimmer passieren, in denen Damen residierten, die jedem Modejournal zur Ehre gereicht hätten. Schließlich saß er bei Kaffee und Gebäck der obersten Chefin des Estromag-Konzerns in einem Besprechungszimmer gegenüber, das die Luxussuite eines Hotels hätte sein können. Nur die Frau, die ihn nicht aus den Augen ließ, war das Kontrastprogramm zu der charmanten Weiblichkeit, die er gerade auf dem Weg hierher angenehm zur Kenntnis genommen hatte. Die streng nach hinten gekämmten Haare unterstrichen die harten Gesichtszüge. Häberle schätzte sie auf Mitte 40 und sehr emanzipiert. Vermutlich hatte sie mit ihrem eigenen Strom noch nie gekocht, schoss es dem Ermittler durch den Kopf. Wahrscheinlich wusste sie nicht, wie man einen Schnellkochtopf bediente – und schon gar nicht, wie man Spätzle machte. Aber das war in dieser Position auch gar nicht nötig.
    »Sie haben die lange Reise auf sich genommen, um mit mir zu reden«, meinte sie kühl, um keine langen persönlichen Vorreden aufkommen zu lassen. Ihr dunkler Hosenanzug betonte ihre weiblichen Formen nur ganz dezent. Eine dünne goldene Halskette war der einzige Schmuck, den Häberle ausfindig machte. Nicht mal einen Ring trug sie.
    »Ich geh davon aus, dass Sie über die Vorgänge, deretwegen ich gekommen bin, informiert sind«, versuchte sich Häberle in einem gestelzten Deutsch, ohne jedoch den schwäbischen Dialekt verbergen zu wollen.
    Sie nickte. »Unerfreuliche Vorgänge«, erwiderte sie. »Alles, was unsere Branche in Schlagzeilen bringt, ist von Übel. Es gibt gewisse Kreise, die tun so, als ob es verwerflich sei, den Energiehunger der Menschheit zu stillen.« In ihrer Stimme klang so etwas wie Abscheu. »Fortschritt ja, aber bitte in der heilen Welt des vorletzten Jahrhunderts.« Sie überlegte. »Als ob die Welt der letzten Jahrhunderte so heil gewesen wäre. Was haben uns denn erst die Annehmlichkeiten beschert, die heute jeder für sich in Anspruch nimmt – zumindest in der zivilisierten Welt? Es ist doch die Nutzung der Energie, egal ob in Form von Öl, Gas oder Elektrizität, die der Menschheit einen nie zuvor da gewesenen Schub beschert hat. Und irgendwoher muss diese Energie kommen.«
    Häberle nickte. Er wollte sich jetzt aber auf keine Grundsatzdiskussion einlassen.
    »Irgendwelche Träumer und Weltverbesserer«, fuhr sie fort, »wollen uns glauben machen, mit Fotovoltaik, Wind und Wasser ließe sich das Problem lösen. Das sind, wenn ich das so sagen darf, nur zaghafte und, verzeihen Sie, vergebliche Versuche, sich selbst ein gutes Gewissen zu verschaffen. Wer Verantwortung über die Versorgungssicherheit übernimmt – und glauben Sie mir, Estromag tut dies seit seiner Gründung –, der muss sich in erster Linie die Ressourcen sichern. Und das schafft man natürlich nicht, indem man sich irgendwelchen abenteuerlichen Experimenten hingibt. Ich sage nur: Osmose.«
    Der Chefermittler gab sich sachkundig, wollte jedoch das Gespräch in eine andere Richtung lenken: »Sie setzen auf Kernkraft?«
    »Ist das eine Schande?«, keifte sie zurück. »Es handelt sich um die einzige Energie, auf die wir zuverlässig zurückgreifen können.«
    »Mit allen negativen Folgen einer ungeklärten Endlagerung der radioaktiven Stoffe«, warf Häberle ein. Ganz zurückhalten konnte er sich nicht.
    »Ein Politikum, das wissen Sie«, entgegnete die Managerin kühl, um nicht weiter

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