Kurzschluss
Telekom-Aktie, die ein einziger Flop wurde. Und spätestens seit vergangenen Herbst, als eine Bank nach der anderen hopsgegangen war, musste doch das Vertrauen der Bevölkerung in alles, was im weitesten Sinne mit Finanzen zu tun hatte, vollständig geschwunden sein.
»Man muss in der Tat stutzig werden, wenn man sich mal eine Aufstellung über die Aktionäre der EEX besorgt«, durchbrach Bodling die entstandene Stille.
Die EEX, das wussten die Gesprächsteilnehmer, war die besagte Leipziger Strombörse, eine öffentlich-rechtliche Einrichtung, die von einer privatrechtlichen Aktiengesellschaft getragen wurde – im internationalen Sprachverkehr European Energy Exchange genannt.
Er holte mehrere Blätter aus einer Klarsichthülle. »Hier«, er deutete auf eine fett gedruckte Aufstellung, »zweitgrößter Aktionär ist die Landesbank Baden-Württemberg mit 22,64 Prozent.«
»Weil die so viel mit Strom am Hut haben«, stellte Feucht ironisch fest.
»Hier, die Deutsche Bank – einmal 0,32 und dann noch 0,25 Prozent. Nicht viel, aber immerhin. Oder HeidelbergCement AG mit 0,5 Prozent.«
Feucht las mit und deutete auf einen anderen Namen: »Morgan Stanley Capital Group Inc. aus Großbritannien mit 0,5 Prozent.«
»Und da«, ergänzte Bodling, »ein paar weitere Banken.«
»Ich hab irgendwo gelesen«, hakte Schweizer nach, »dass die Zahl der Teilnehmer an der Börse ständig steigt.«
»Auch dazu hab ich Zahlen gefunden«, erklärte der Chef und zog ein weiteres Blatt aus der Klarsichthülle. »2005 waren es 132 Teilnehmer, bis Mitte 2008 schon 214. Und das Handelsvolumen für Strom hat sich am Spot- und Terminmarkt gewaltig erhöht.«
»Aber irgendwie unterliegt das Ganze einer Kontrolle«, versuchte der kaufmännische Leiter das zu relativieren.
Über Bodlings Gesicht huschte ein eher mitleidiges Lächeln. »Natürlich. Sie kennen doch die Kontrollmechanismen: Bundeskartellamt, Bundesnetzagentur – internationale Kontrolle durch die EU-Kommission und so weiter. Muss ich mehr dazu sagen?«
Schweizer grinste. »Wie effektiv solche Einrichtungen sind, kann man allein an den Benzinpreisen ablesen.« Keiner der beiden anderen sagte etwas dazu.
»Hat man eigentlich noch immer nichts von Büttner gehört?«, fragte Bodling plötzlich dazwischen. »Ich hatte gehofft, er würde uns heute etwas über die neueste Entwicklung berichten können.«
»Wann ist er denn von Leipzig zurückgekommen?«, wollte Feucht wissen.
»Mittwoch bereits. Er hatte für den Tag nach Fronleichnam Urlaub beantragt. Deshalb war vereinbart, dass er uns heute von seinem Aufenthalt in Leipzig berichtet«, gab sich Bodling leicht verärgert.
Feucht ging erneut ins Vorzimmer, um sich zu erkundigen, ob Büttner inzwischen etwas von sich hatte hören lassen.
»Nichts«, kam er an den Konferenztisch zurück. »Ich lass mal bei ihm anrufen.«
10
Für die Taucher der Landespolizeidirektion Stuttgart war es kein Problem gewesen, den Toten aus dem Weiherwiesensee zu bergen. Bei dem Gewicht, das ihn nach unten gezogen hatte, handelte es sich um einen etwa 30 Kilogramm schweren quaderförmigen Stein, der mit einem drei Meter langen Seil um den Hals des Mannes gebunden gewesen war. Rudolf Schmittke, der Leiter der örtlichen Kriminalaußenstelle, warf einen Blick auf den Toten, der jetzt mit weit aufgerissenen Augen auf dem Rücken lag, umgeben von geknickten Schilfhalmen. Die Kleider waren vom morastigen Untergrund des flachen Gewässers stark verschmutzt. Der Mann trug Jeans und eine dunkelgrüne Freizeitjacke, seine schwarzen Haare waren kurz geschnitten.
Draußen auf dem See waren die Enten zu hören. Unterdessen galt Schmittkes Interesse dem Stein, den die Taucher neben den Toten gelegt hatten. Auf den ersten Blick schien es so, als sei an der dünnsten Stelle ein Loch gebohrt worden, durch das das Seil gezogen und verknotet werden konnte.
»Gute Arbeit«, kommentierte einer der Taucher sarkastisch.
Schmittke, der große blonde Kriminalist, der auch in solchen Fällen nicht den Hauch einer Emotion zeigen konnte, nickte. »Stellt sich halt die Frage – hat er es selbst getan oder hat einer nachgeholfen?« Seine leise gesprochenen Worte vermischten sich mit dem Rattern eines Güterzugs, der auf der anderen Talseite die Geislinger Steige erklomm. Schmittke hatte die Feststellung nur für sich selbst getroffen. Erst danach wurde er lauter, um das Bahngeräusch übertönen zu können: »Weiß man etwas über die Identität?«
Einer der
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