Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
erwachenden Umweltbewusstsein in den 70er-Jahren hatte sich dies zwar gebessert, doch gab es offenbar nach wie vor genügend Zeitgenossen, die sich ihres Abfalls auf illegale Weise entledigten. Braun musste plötzlich an seine Kindheitstage denken, als die Mutter bei Sonntagsfahrten im bescheidenen Kleinwagen die Seitenscheibe heruntergekurbelt und eine Tüte voll Müll hinausgeworfen hatte. Vorzugsweise hatte sie dies auf den bewaldeten Steilstrecken entlang der Albkante getan – dann mit der Bemerkung: »Das werf ich jetzt die Halde hinab.« So, als ob etwas beseitigt wäre, nur, weil es nicht mehr zu sehen war. Nach dem Motto: Aus den Augen, aus dem Sinn.
    Und genau so, dachte Braun verständnislos, handelte dieser Mann noch heute. Alle Appelle, die Umwelt sauber zu halten, waren an ihm abgeprallt. Für einen Moment verspürte Braun Zorn, doch er wollte Speidel nicht in noch größere Aufregung versetzen. Deshalb zügelte er seinen Ärger und griff zu den Armlehnen des Stuhles. »Sie haben also einen Stromzähler in den See geworfen?« Seine Stimme klang distanziert.
    »Nicht in den See, nein«, widersprach Speidel sofort. »Nur ans Ufer, dort, wo sowieso schon einiges rumlag.«
    Der Naturschützer atmete tief ein. Wäre die Situation nicht so angespannt gewesen, hätte er spätestens jetzt ein paar deutliche Worte gesagt. »Und woher haben Sie das Ding?«, fragte er stattdessen.
    »Das ist eine etwas komplizierte Geschichte, um ehrlich zu sein.« Speidel biss sich kurz auf die Unterlippe. »Es ging mir darum, den Stromverbrauch meiner Gartenlichter zu messen. Ich hab unseren Garten umgestaltet – das heißt, ich bin gerade dabei, es zu tun. Die Lampen sind aber schon längere Zeit drin. Strahler im Gebüsch und so. Indirekt beleuchtet. Mit Halogen und normalen Glühbirnen. Vielleicht kennen Sie sich da aus.«
    Braun nickte verständnisvoll. Er wollte den Redefluss nicht stoppen.
    »Ja, und um rauszukriegen, wie viel Strom mich das kostet, wollte ich schon damals, als ich die Dinger installiert hab, so einen Zähler dazwischenschalten.« Er verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. »Für einen Bastler wie mich kein Problem.«
    Er brach ab, weil Brauns Ehefrau kurz in der Küche erschien, um zwei Teller zu holen. Erst als sie wieder außer Sichtweite war, fuhr er fort: »Na ja, ich hab dann meine Frau gebeten, ihre Chefin, die Frau Büttner, zu fragen, ob ihr Mann so etwas vom Albwerk besorgen könnte. So einen alten Zähler, hab ich gedacht. Der musste ja nicht mehr geeicht sein.«
    »Sie haben gewusst, dass ihr Mann dort beschäftigt war«, stellte Braun fest, ohne es als Frage klingen zu lassen.
    »Ja, natürlich, das haben wir gewusst, meine Frau und ich. Der hat sich tatsächlich bereit erklärt, mir den Gefallen zu tun – und hat sich dann wohl …« Speidels Stimme verstummte, als seien ihm die Worte im Hals stecken geblieben. Denn in diesem Augenblick war er von völliger Dunkelheit und Stille umgeben. Auch Braun vermochte nichts zu sagen. Schwärze und Stille. Selbst die Geschirrspülmaschine hatte ihr dumpfes Stampfen und Rauschen eingestellt.
    »He, was ist denn da los?« Es war Frau Brauns panische Stimme. Die beiden Männer schwiegen verstört.

20
    Die Feuerwehr war mit dem Stadtlöschzug ausgerückt, wie üblich mit vier Fahrzeugen. Doch zu löschen gab es hier nichts. Beißender Qualm zog durch die Nacht. Im Lichtkegel der Handscheinwerfer und der zuckenden Blaulichter sah es aus, als schwebten körperlose Wesen in der Luft.
    Kommandant Jörg Bergner besah sich den verkohlten Transformator durch den Maschendrahtzaun. Die Straßenlampen, die entlang des weitläufigen Sportgeländes standen, an dessen Rand sich das große Umspannwerk befand, waren alle erloschen. Das Sportclub-Heim konnte in der Finsternis nur erahnt werden, weil sich das Streulicht von den Autoscheinwerfern der nahen Landstraße in der Umgebung verlor.
    Während nebenan auf dem Bahndamm der Strecke Stuttgart–Ulm ein Güterzug durch die Nacht ratterte, bahnte sich ein hagerer Mann mittleren Alters einen Weg durch die Feuerwehrleute und erklärte, dass er dem Chef etwas Wichtiges sagen wolle. Man führte ihn zum Kommandanten.
    »Hat Schlag gemacht, dann Licht aus«, sagte der Mann, bei dem es sich offenbar um einen Türken handelte. »Wohne dort«, fuhr er aufgeregt fort und zeigte zur gegenüberliegenden Seite des Umspannwerks. »Hat Schlag gemacht – ich gucken, weißt, dann hier Feuer. Riesige Flamme. Dann habe sofort

Weitere Kostenlose Bücher