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Kuschelmuschel

Kuschelmuschel

Titel: Kuschelmuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Dahl
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denen man verschieden geformte Teile in die richtigen Öffnungen stecken muss. »
     
«Ich will einmal sehen, ob ich Sie recht verstehe», sagte ich. «Sie wollen also sagen, mein Gehirn weiß nur deshalb, dass es Pfefferminzgeruch ist, weil sich das Molekül in einem Pfefferminzempfänger festgesetzt hat? »
     
«Genau. »
     
«Aber Sie wollen doch nicht behaupten, dass es für jeden Geruch der Welt bestimmte Empfänger gibt? »
     
«Nein», sagte er. «In Wirklichkeit hat der Mensch nur sieben verschieden geformte Empfänger. »
     
«Warum nur sieben? »
     
«Weil unser Geruchssinn nur sieben wahrnehmen kann. Bei allen anderen handelt es sich um , die aus Mischungen der Primärgerüche bestehen. »
     
«Sind Sie da ganz sicher? »
     
«Bestimmt. Unser Geschmackssinn unterscheidet noch weniger. Er kennt nur vier primäre Geschmacksempfindungen - süß, sauer, salzig und bitter. Alle anderen Geschmacksempfindungen sind Mischungen davon. »
     
«Und was sind die sieben reinen Primärgerüche? », fragte ich ihn.
     
«Ihre Namen sind für uns nicht wichtig», sagte er. «Warum die Sache noch komplizierter machen? »
     
«Ich möchte es gern wissen. »
     
«Na schön», sagte er. «Sie heißen kampfrig, scharf, moschusartig, ätherisch, blumig, pfefferminzartig und faulig. Schauen Sie nicht so skeptisch. Es ist nicht meine Entdeckung. Sehr gelehrte Wissenschaftler haben jahrelang daran gearbeitet. Und ihre Schlussfolgerungen sind ziemlich korrekt, mit einer Ausnahme. »
     
«Und welche wäre das? »
     
«Es gibt einen achten reinen Primärgeruch, von dem sie nichts wissen, und einen achten Empfänger für die eigenartig geformten Moleküle dieses Geruchs! »
     
«Ah-ha-ha! », sagte ich. «Ich sehe, worauf Sie hinauswollen. »
     
«Ja», sagte er, «der achte reine Primärgeruch ist das sexuelle Stimulans, das den Mann der Urzeit vor vielen Jahrtausenden dazu veranlasste, sich genauso wie ein Hund aufzuführen. Er hat eine ganz besondere Molekularstruktur. »
     
«Sie kennen ihn also? »
     
«Natürlich kenne ich ihn. »
     
«Und Sie sagen, wir haben die Empfänger für diese besonderen Moleküle immer noch? »
     
«Genau. »
     
«Dieser mysteriöse Geruch», sagte ich, «gelangt er auch heute noch in unsere Nüstern? »
     
«Des öfteren. »
     
«Riechen wir ihn? Ich meine, sind wir uns seiner bewusst? »
     
«Nein. »
     
«Sie meinen, die Moleküle werden nicht von den Empfängern eingefangen? »
     
«Sie werden, mein Lieber, sie werden. Aber es passiert nichts. Kein Signal wird zum Gehirn gesendet. Die Telefonleitung ist unterbrochen. Es ist wie bei dem Ohrmuskel. Der Mechanismus ist noch da, aber wir haben die Fähigkeit verloren, ihn richtig zu gebrauchen. »
     
«Und was wollen Sie da machen? », fragte ich.
     
«Ich werde ihn reaktivieren», sagte er. «Wir haben es hier mit Nerven zu tun, nicht mit Muskeln. Und diese Nerven sind nicht etwa tot oder verletzt, sie ruhen nur. Wahrscheinlich werde ich den Geruch tausendfach verstärken und einen Katalysator hinzufügen. »
     
«Weiter», sagte ich.
     
«Das ist alles. »
     
«Ich würde gern noch mehr Details darüber hören», sagte ich.
     
«Verzeihen Sie, wenn ich das sage, Monsieur Cornelius, aber ich glaube nicht, dass Sie genug über die Eigenschaften der Organe wissen, um mir noch weiter folgen zu können. Die Vorlesung ist beendet. »
     
Henri Biotte saß selbstgefällig und gelassen auf der Bank am Fluss und streichelte mit den Fingern der einen Hand den Rücken der anderen. Die aus seinen Ohren sprießenden Haarbüschel verliehen ihm das Aussehen eines Gnoms, aber das war Tarnung. Für mich war er vielmehr eine gefährliche und exzentrische kleine Kreatur, jemand, der mit scharf blickenden Augen und einem Stachel am Schwanz hinter einem Felsen lauert und darauf wartet, dass der einsame Reisende vorbeikommt. Verstohlen inspizierte ich sein Gesicht. Der Mund interessierte mich. Die Lippen hatten eine bläuliche Tönung, was möglicherweise mit seiner Herzgeschichte zusammenhing. Die Unterlippe war wulstig und hing nach unten. Sie wölbte sich noch in der Mitte vor wie ein kleines Tellerchen, und man hätte leicht eine kleine Münze darauf legen können. Die Lippe wirkte so prall, als sei sie mit Luft aufgeblasen, und die Haut war ständig feucht, nicht vom Lecken, sondern vom übermäßigen Speichel im Mund.
     
Und da saß er, dieser Monsieur Henri Biotte, und wartete mit

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