Kuschelmuschel
niemanden. Weil ich plötzlich wieder bei Sinnen war. Die Wirkung hatte sich verflüchtigt, und zwar sehr schnell. Und ich stand allein auf dem Treppenabsatz vom zweiten Stock. Mir war kalt. Aber ich wusste sofort ganz genau, was geschehen war. Ich lief wieder nach oben und zurück in dieses Zimmer, wobei ich mir die Nase mit Daumen und Zeigefinger fest zuhielt. Ich ging direkt zu der Schublade, in der ich die Nasenstöpsel aufbewahrte. Seitdem ich mit der Arbeit an diesem Projekt begann, habe ich für derartige Gelegenheiten immer einen Vorrat an Nasenstöpseln bereitgehalten. Ich rammte mir die Stöpsel in die Nase. Dann war ich in Sicherheit. »
«Können die Moleküle nicht durch den Mund in die Nase gelangen? », fragte ich.
«Sie können die Empfänger nicht erreichen», sagte er. «Deshalb kann man auch nicht durch den Mund riechen. Also ging ich zu dem Gerät hinüber und schaltete den Erwärmer aus. Ich tat die winzige Menge Flüssigkeit dann aus dem abgedichteten Gefäß in die sehr feste, absolut luftdichte Flasche, die Sie hier sehen. Es sind genau elf Kubikzentimeter Nummer 1076 darin. »
«Und dann haben Sie mich angerufen? »
«Nicht gleich, nein. Simone kam nämlich in diesem Augenblick. Als sie mich erblickte, lief sie schreiend ins Nebenzimmer. »
«Warum das? »
«Mein Gott, Oswald, ich stand splitternackt da und wusste es gar nicht.
Ich muss mir mein ganzes Zeug vom Leib gerissen haben! »
«Und dann? »
«Ich zog mich wieder an. Danach ging ich zu Simone und erzählte ihr genau, was geschehen war. Als sie es hörte, wurde sie genauso aufgeregt wie ich. Sie dürfen nicht vergessen, dass wir nun schon über ein Jahr gemeinsam an dieser Sache arbeiten. »
«Ist sie noch da? »
«Ja. Sie ist nebenan, in dem anderen Labor. »
Es war schon eine erstaunliche Geschichte, die Henri mir da erzählt hatte. Ich nahm die kleine eckige Flasche hoch und hielt sie ans Licht. Durch das dicke Glas konnte ich gut anderthalb Zentimeter Flüssigkeit erkennen, hell und rosagrau, wie der Saft einer reifen Quitte.
«Lassen Sie sie nicht fallen», sagte Henri. «Stellen Sie sie lieber wieder hin. » Ich stellte sie wieder hin. «Als nächstes», fuhr er fort, «werden wir einen genauen Test unter wissenschaftlichen Bedingungen vornehmen. Zu diesem Zweck werde ich eine bestimmte Menge von der Flüssigkeit auf eine Frau sprühen und dann einen Mann auf sie zugehen lassen. Ich werde den Vorgang aus nächster Nähe beobachten müssen. »
«Sie sind ein altes Schwein», sagte ich.
«Ich bin Olfaktologe», antwortete er förmlich.
«Warum soll ich nicht mit meinen Nasenstöpseln auf die Straße gehen», sagte ich, «und die erste Frau besprühen, die vorbeikommt? Sie können vom Fenster aus zuschauen. Es wird sehr spaßig sein. »
«Sicher, es würde spaßig sein», sagte Henri. «Aber nicht sehr wissenschaftlich. Ich muss den Test in einem geschlossenen Raum unter kontrollierten Bedingungen vornehmen. »
«Und ich werde die männliche Rolle spielen», sagte ich.
«Nein, Oswald. »
«Wieso nein? Ich bestehe darauf. »
«Nun hören Sie mal zu», sagte Henri. «Wir haben noch nicht herausgefunden, was passiert, wenn eine Frau anwesend ist. Dieses Zeug ist sehr stark. Das steht fest. Und Sie, mein Lieber, sind nicht mehr ganz jung. Es könnte sehr gefährlich für Sie werden. Es könnte Ihre Kräfte übersteigen. »
Das saß. «Ach was, nichts wird meine Kräfte übersteigen», sagte ich.
«Unsinn», sagte Henri. «Ich lehne es ab, ein Risiko einzugehen. Deshalb habe ich den tüchtigsten und stärksten jungen Mann engagiert, den ich finden konnte. »
«Sie wollen sagen, Sie haben es bereits getan? »
«Gewiss», sagte Henri. «Ich bin aufgeregt und ungeduldig. Ich möchte vorankommen. Der junge Mann muss jede Minute hier sein. »
«Wer ist es? »
«Ein Berufsboxer. »
«Großer Gott. »
«Er heißt Pierre Lacaille. Ich zahle ihm tausend Franc für die Sache. »
«Wie haben Sie ihn gefunden? »
«Ich kenne weit mehr Leute, als Sie denken, Oswald. Ich bin schließlich kein Eremit. »
«Weiß denn der Mann, was ihm bevorsteht? »
«Ich habe ihm nur gesagt, dass er an einem wissenschaftlichen Experiment teilnehmen soll, das etwas mit der Psychologie der Sexualität zu tun hat. Je weniger er weiß, um so besser. »
«Und die Frau? Wen haben Sie da ins Auge gefasst? »
«Simone natürlich», sagte
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