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Kuschelmuschel

Kuschelmuschel

Titel: Kuschelmuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Dahl
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Henri. «Sie ist selbst Wissenschaftlerin. Sie wird die Reaktionen des Mannes noch genauer beobachten können als ich. »
     
«Das wird sie», sagte ich. «Ist sie sich darüber klar, was ihr passieren kann ?»
     
«Durchaus. Und es hat mich allerhand Mühe gekostet, sie dazu zu überreden. Ich musste betone, es sei eine Demonstration, die in die Geschichte eingehen werde. Man wird noch in hundert Jahren davon reden. »
     
«Unsinn», sagte ich.
     
«Mein Lieber, es hat im Laufe der Jahrhunderte immer wieder große, heldenhafte Augenblicke bei wissenschaftlichen Entdeckungen gegeben, die man nie vergessen wird. Wie zum Beispiel damals, als sich Dr. Horace Wells in Hartford, Connecticut, 1844 einen Zahn ziehen ließ. »
     
«Was war daran so denkwürdig? »
     
«Dr. Wells war ein Zahnarzt, der eine Zeitlang mit Lachgas herumexperimentiert hatte. Eines Tages bekam er furchtbare Zahnschmerzen. Er wusste, dass der Zahn gezogen werden musste, und er holte einen anderen Zahnarzt, der die Sache machen sollte. Zuerst überredete er seinen Kollegen aber, sich das Gesicht mit einer Maske zu bedecken und das Lachgas aufzudrehen. Er wurde bewusstlos, der Zahn wurde gezogen, und er wachte munter wie ein Floh wieder auf. Und das, Oswald, war die erste Operation der Welt, die unter Vollnarkose gemacht wurde. Er setzte etwas Großes in Gang. Für unseren Fall gilt das gleiche. »
     
In diesem Augenblick klingelte es. Henri ergriff ein Paar Nasenstöpsel und nahm sie mit zur Tür. Und da stand Pierre, der Boxer. Aber Henri wollte ihn nicht eintreten lassen, ehe die Nasenstöpsel fest in seine Nase gerammt waren. Ich nehme an, der Bursche hat gedacht, er solle in einem Pornofilm auftreten, aber die Sache mit den Stöpseln muss ihm die Illusion schnell geraubt haben. Pierre Lacaille war ein Bantamgewicht, klein, muskulös und drahtig. Er hatte ein flaches Gesicht und eine gekrümmte Nase. Er war etwa zweiundzwanzig Jahre alt und nicht sehr intelligent.
     
Henri machte uns bekannt, und dann führte er uns ohne Umschweife in das Laboratorium nebenan, wo Simone arbeitete. Sie stand in einem weißen Kittel am Labortisch und schrieb gerade etwas in ein Notizbuch. Als wir eintraten, blickte sie aus dicken Brillengläsern zu uns auf. Die Brille hatte ein weißes Plastikgestell.
     
«Simone», sagte Henri, «das ist Pierre Lacaille. » Simone sah den Boxer an, sagte aber nichts. Henri machte sich nicht die Mühe, mich vorzustellen.
     
Simone war eine schlanke Frau in den Dreißigern, mit einem angenehmen, nicht geschminkten Gesicht. Ihr Haar war nach hinten gebürstet und zu einem Knoten geflochten. Das verlieh ihr zusammen mit der weißen Brille, dem weißen Kittel und der weißen Haut ihres Gesichts ein seltsam antiseptisches Aussehen. Sie machte den Eindruck, als wäre sie eine halbe Stunde lang in einem Sterilisierapparat keimfrei gemacht worden und müsste mit Gummihandschuhen angefasst werden. Sie starrte den Boxer mit großen braunen Augen an.
     
«Wir wollen anfangen», sagte Henri. «Sind Sie bereit? »
     
«Ich weiß nicht, was jetzt passieren soll», sagte der Boxer. «Aber ich bin bereit. » Er tänzelte ein bisschen auf den Zehenspitzen hin und her.
     
Henri war auch bereit. Er hatte die ganze Sache offensichtlich vorbereitet, ehe ich kam. «Simone wird auf dem Stuhl sitzen», sagte er, auf einen einfachen Holzstuhl in der Mitte des Laboratoriums deutend. «Und Sie, Pierre, behalten die Nasenstöpsel drin und stellen sich auf die Sechs-Meter-Marke. »
     
Auf dem Fußboden hatte er Kreidestriche gezogen, die die verschiedenen Entfernungen vom Stuhl anzeigten, von einem halben Meter bis sechs Meter.
     
«Ich werde zunächst ein wenig Flüssigkeit auf den Hals der Dame sprühen», fuhr Henri zum Boxer gewandt fort. «Dann werden Sie sich die Nasenstöpsel herausziehen und langsam auf sie zugehen. » Zu mir sagte er: «Als erstes möchte ich den effektiven Wirkungsradius ermitteln, das heißt die genaue Entfernung zwischen ihr und der Versuchsperson, bei der die Moleküle zu wirken beginnen. »
     
«Behält er die Kleider dabei an? », fragte ich. «Ja, er zieht sich nicht aus. »
     
«Und soll die Dame mitmachen oder Widerstand leisten? »
     
«Weder noch. Sie muss ein völlig passives Werkzeug in seinen Händen sein. »
     
Simone blickte immer noch auf den Boxer. Ich sah, wie sie sich langsam mit der Zungenspitze über die Lippen fuhr.
     
«Hat dieses Parfüm», fragte ich Henri, «irgendeine Wirkung auf Frauen?

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