Kuss der Ewigkeit
meine Knie. Die Gestalt zu wechseln heilte beinahe alles. Sogar abgetrennte Gliedmaßen würden sich durch den Raum bewegen, um sich wieder mit dem Körper zu vereinen. Ich kannte nur zwei Dinge, die Narben hinterließen: Wunden, die von Silber beigebracht wurden, oder die Zähne oder Klauen eines anderen Gestaltwandlers in Zwischengestalt.
» Eine Wölfin des Risly-Clans wurde zum Einzelgänger. Ich war noch ein Kind und zu dem Zeitpunkt in meiner Katzengestalt. Ihr Gefährte hätte sich um sie kümmern sollen, bevor jemand verletzt wurde, oder sein Sekundant.«
» Sekundant?«
» Sein Stellvertreter. Er wurde gewählt, als sie gezeichnet wurde, für den Fall, dass die Gefühle ihren Gefährten daran hindern würden, das zu tun, was getan werden musste.«
» Es war Aufgabe ihres Gefährten, sie zu töten, falls sie wahnsinnig wurde?«
Ich nickte. » Aber er zögerte. Er glaubte, sie würde wieder gesund werden.« Ich rieb über die längst verheilten Narben– gezackte Spuren von Zähnen, die mich beinahe getötet hätten. » Man wird von Wahnsinn nicht mehr gesund.«
Einen Atemzug lang saßen wir schweigend da, dann meinte Nathanial: » Deshalb hast du solche Angst vor Hunden.«
Mein Kopf fuhr hoch.
» Ich sagte es dir doch. Ich erinnere mich nicht daran, wie es passiert ist, und was ich habe, ist gesunder Respekt vor Hunden.«
Nathanial beugte sich herunter und hauchte mir einen federleichten Kuss auf die Stirn. Erschrocken zuckte ich zurück, doch er war bereits wieder aufgestanden.
» Lass dich nicht zu lange aufweichen. Du musst dich noch ernähren, bevor wir uns mit Bobby und Gil treffen. Diesen Arm zu heilen muss dich geschwächt haben.« Er schlenderte aus dem Zimmer.
Ich rieb über die Stelle, an der seine Lippen meine Stirn berührt hatten. Warum hatte er das getan?
Während das Badewasser ablief, stöberte ich in den Tüten, die er gebracht hatte, und war angenehm überrascht von den Kleidern, die er ausgesucht hatte. In der Vergangenheit hatte ich mir meine Klamotten aus Sachen zusammengesucht, die andere weggeworfen oder den Bedürftigen gespendet hatten– ich nahm an, dass man mich als bedürftig betrachten konnte, oder? Also hatte ich abgesehen von den Kleidern, die Nathanial mir vorgestern Nacht gegeben hatte, nie neue Kleider besessen. Er hatte mir auch neue Sneakers gekauft, ebenso wie ein paar helle Stiefel mit Fellrand; zwei Röcke, der eine lang und der andere ein kurzer Faltenrock; eine neue Jeans; und eine Handvoll Pullover– aber wieder einmal keine Unterwäsche. War es unhöflich, um welche zu bitten? Vermutlich. Außerdem, wenn er mir Sachen kaufen wollte, war das eine Sache, aber ich wollte ihn nicht darum bitten, denn dann stünde ich noch tiefer in seiner Schuld. Ich berührte den kürzeren Rock. So einen hatte ich noch nie besessen, aber ohne Unterwäsche kam er nicht infrage. Also schlüpfte ich in die Jeans, schnappte mir irgendeinen Pullover und zog ihn mir über den Kopf.
Ich fand Nathanial in der Küche, wo er auf mich wartete. Er musterte mich von oben bis unten, während er mir die Tür aufhielt. Hitze strömte mir in die Wangen, und beinahe wäre ich über meine Turnschuhe gestolpert. Das ließ mein Gesicht erst richtig glühen. Blöder Vampir – machte mich ganz verdreht. Ich rauschte an ihm vorbei.
» Ich hatte erwartet, dass du den Rock wählen würdest«, sagte er, als er mit mir auf die Veranda hinaustrat.
Ich zuckte die Achseln. » Ich stehe nicht auf Exhibitionismus.«
Verständnislos zog er die Augenbrauen zusammen, doch dann riss er die Augen auf, und sein Blick glitt erneut über meinen Körper.
Sorgfältig zog ich den Mantel über meinen Kleidern zu. » Gehen wir?«
Wortlos trat er vor und nahm mich in seine Arme. Dann waren wir in der Luft.
KAPITEL 17
B obby winkte mir aus dem Café zu, als ich mich durch den Bücherladen schleppte. Schwer ließ ich mich auf den Stuhl gegenüber von ihm fallen.
Der Flug in die Stadt war fantastisch gewesen, doch dann hatten Nathanial und ich uns wieder gestritten. Er hatte geglaubt, mein mangelnder Protest über seine Bemerkung, ich müsse mich ernähren, bedeutete, dass ich bereit war, mit ihm jagen zu gehen. Ganz sicher nicht! Es machte den Abend auch nicht besser, dass es wieder wolkig war und Schneefall einsetzte, als ich den Bücherladen erreichte. Und um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, duftete Bobbys Essen köstlich, und ich hasste die Tatsache, dass ich keinen Bissen davon probieren konnte. Also ja,
Weitere Kostenlose Bücher