Kuss der Ewigkeit
Leder war unter den Gästen eindeutig vorherrschend, ebenso wie Korsagen, Flügel und eine Menge Silber. Nebelmaschinen verströmten graue Schwaden über einer Tanzfläche, die den halben Raum einnahm. Eine Ecke wurde von einer glänzenden Bar beherrscht. Die andere Ecke war von der Tanzfläche durch eine halbhohe Mauer abgetrennt, die weiche Ledersofas abschirmte. Jeder Bereich roch nach Rauch, Alkohol, Schweiß und Leibern. Der Klub war rammelvoll. Überall um mich herum schlugen Herzen in dissonanten Rhythmen, und das Rauschen von pulsierendem Blut dröhnte in meinen Ohren. Sein Geruch, gefangen unter der dünnen Schicht von Haut, rief mich.
Ich war ausgehungert.
Meine Fangzähne wurden lang, und ich hielt mir erschrocken die Hand vor den Mund. Nathanial wandte sich zu mir um und zog mich an sich, sodass seine Schulter mein Gesicht verbarg.
» Ich sagte dir doch, du sollst dich ernähren«, flüsterte er, als er mir übers Haar strich. Für jeden, der es nicht wusste, sah es vermutlich so aus, als umarmten wir uns, oder als ob ich weinte.
Ich drängte mich an seine Brust und ließ mich von seiner Wärme einhüllen. Tief atmete ich ein und trank seinen würzigen, männlichen Geruch. Trotz der Tatsache, dass ich seinen Herzschlag durch den Mantel hindurch fühlen konnte, weckte er nicht meinen Hunger– meine Instinkte registrierten ihn nicht als Beute. Doch selbst mit meinem Gesicht an seiner Brust konnte ich die Gerüche der Menschen um uns herum nicht ausblenden, und sie waren definitiv das, was meine neue Natur als bevorzugte Nahrung betrachtete.
» Bring mich hier raus«, flüsterte ich.
» Noch ein Problem?«, fragte der Mann, der viel näher an meinem Rücken stand, als mir lieb war.
Überhaupt kein Problem, ich könnte nur aus Versehen jemanden fressen, aber wirklich kein Problem. Ich unterdrückte ein Schaudern und hörte auf zu atmen. Nun, da ich wusste, dass ich es konnte, war es gar nicht schwer. Es half ein wenig, die Menschen nicht mehr riechen zu können. Fühlen konnte ich sie immer noch. Sie pulsierten vor Leben. Langsam zogen sich meine Fangzähne zurück, und ich drehte mich wieder um. Die Augen auf den Boden geheftet schüttelte ich den Kopf.
» Gut«, sagte der Mann und schlängelte sich weiter durch die Menge.
Ich folgte ihm, mit Nathanial an meiner Seite.
» Wer sind sie?«, flüsterte ich, als wir den Leuten auswichen, die sich um die Bar drängten.
» Anaya und ihr Gefährte Clive.«
Clive, der Vampir? Nun, warum nicht? Vampire konnten vermutlich auch einen so alltäglichen Namen wie Clive haben.
Der Bereich um die Bar war brechend voll, und manchmal mussten wir uns seitlich durch die Menge drängen. Die Kakofonie der Herzschläge um mich herum hämmerte lauter in meinen Ohren als die Musik, die aus den Lautsprechern dröhnte. Jedes Mal, wenn mich jemand streifte, sickerte seine Wärme über meine Haut, und mein Körper schrie vor einem Verlangen auf, das ich nicht erforschen wollte. Ich schob die Hände tief in die Taschen, um sie davon abzuhalten, aus Versehen jemanden zu packen.
Es dauerte nur ein paar Minuten, die große Bar zu umrunden, doch es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Zwischen der Bar und dem Bereich mit den Sofas befand sich ein kleiner Durchgang, über dem ein Schild mit der Aufschrift Toiletten hing. Wir folgten dem schmalen Gang zu einer Tür, auf der Nur für Personal stand. Sobald uns die Tür von den Massen aus Menschlichkeit trennte, hörte mein Hunger auf, mit mir zu kämpfen. Ich stieß den angehaltenen Atem aus. Vielleicht konnte ich jetzt wieder klar denken.
Nachdem wir noch zwei Abzweigungen des Gangs gefolgt waren, standen wir vor einem weiteren Türsteher. Ein Türsteher in einem Klub? Er musterte Nathanial und mich mit einem flüchtigen Blick, bevor er die Tür öffnete und beiseitetrat.
Große Flachbildfernseher überzogen die der Tür gegenüberliegende Wand. Der Bereich dazwischen war ziemlich willkürlich mit Sofas und Kissenstapeln eingerichtet, die man nach offensichtlichem Zufallsprinzip im Raum verteilt hatte. Dutzende von Leuten räkelten sich darauf, mehr als im Klub arbeiten konnten. Das musste der VIP -Bereich sein.
Die Lautsprecher stöhnten, und mein Blick huschte zu den Szenen auf den Bildschirmen. Was machten die …? Oh. Auf dem Bildschirm stöhnte die Darstellerin erneut, während der Mund ihres Partners tiefer über ihren entblößten Körper wanderte. Ich schlug die Augen nieder. Erst da bemerkte ich die unangenehm intimen
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