Kuss der Ewigkeit
Stirnrunzeln. Gil hatte das mit keinem Wort angedeutet, doch Bobby hörte nur, was er hören wollte, so war es schon immer gewesen.
Er zog seinen Mantel an und begann, vor mir hin und her zu marschieren. » Keiner deiner Brüder hat die Fähigkeit entwickelt, in menschlicher Gestalt seine Krallen auszufahren. Du wehrst dich dagegen, Dyre zu sein, aber der Torin wusste, was er tat, als er dich zu seiner Nachfolgerin ernannte. Dein Clan braucht dich.«
» Wir schweifen vom Thema ab.« Ich schlang mir die Arme um die Brust und konzentrierte mich auf ein buntes Graffito an der Wand. » Wir sollten lieber beweisen, dass ich nicht der Gestaltwandler bin, der einen Einzelgänger geschaffen hat– oder vielleicht mehrere Einzelgänger. Wenn wir beweisen können, dass ich unschuldig bin, können wir den Richter zurückrufen und meine Todesstrafe aufheben lassen.«
Tadelnd schnalzte Gil mit der Zunge. » Oh, sobald der Richter einmal eine Entscheidung getroffen hat, hört er sich keine Verteidigungsreden mehr an, außerdem bist du mit ihm bereits einen Handel eingegangen.« Ihre Augenbrauen zogen sich eng zusammen. Konnte sie angestrengt genug nachdenken, um sich selbst zu verletzen? » In deiner Akte stand nichts davon, dass du von einer Torin -Linie abstammst. Das könnte einiges erklären. Aber wenn du die Fähigkeit besitzt, in menschlicher Gestalt deine Krallen zu gebrauchen, könntest du dann nicht jemanden infizieren?«
Infizieren?
Bobby erstarrte. Ich für meinen Teil verzog die Lippen unwillkürlich zu einer Grimasse, die ich nicht verbergen konnte.
» Wir haben keine Krankheit.« Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. » Die Menschen werden nicht infiziert. Sie werden gezeichnet, was eher mit einem Leuchtfeuer, das einer neuen Seele den Weg weist, vergleichbar ist, als mit irgendeiner Art von Ansteckung.«
» Na schön, gezeichnet. Also ist dieses › Zeichnen‹ etwas, das nur geschehen kann, wenn ein Gestaltwandler sich in seiner Zwischengestalt befindet– irgendwo zwischen rein Mensch und rein Tier? Wenn deine Krallen ausgefahren sind, bist du dann nicht in einer Zwischengestalt?«
» Erstens habe ich niemanden angegriffen. Und zweitens, ich verwandle mich nicht– und habe mich auch nicht verwandelt, um meine Krallen einzusetzen.« Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust. Ich schmollte nicht, ehrlich. Oder zumindest nicht sehr. » Meine Krallen fuhren aus, als ich noch in menschlicher Gestalt war. Das ist nicht dasselbe, wie in meiner Zwischengestalt zu sein.«
» Dennoch.« Gil knetete ihre Hände. » Diese Fähigkeit setzt dich ganz oben auf die Liste der Verdächtigen. Gibt es sonst noch irgendjemanden außer Nathanial, an dem du deine Krallen eingesetzt hast?«
Ich öffnete den Mund, machte ihn dann aber wieder zu. Diese Frage wollte ich nicht beantworten. Das erste Mal, als sich meine Krallen gezeigt hatten, hatte ich sie gebraucht und auch benutzt. Doch das war zur Selbstverteidigung gewesen. Ich hatte mich nicht verwandelt, deshalb konnte ich die Straßenrowdys, die mich überfallen hatten, nicht gezeichnet haben. Dennoch war es vermutlich am besten, diesen Vorfall nicht zu erwähnen. Schließlich wollte ich meine Unschuld beweisen und mich nicht selbst belasten.
Nathanial rückte näher zu mir, und seine Hand streifte meine. » Ist das alles, was nötig ist, um jemanden in einen Shifter zu verwandeln? Ihn zu kratzen, während du in deiner Zwischengestalt bist?«
Gil musterte ihn aufmerksam. » Ich dachte, du plädierst zu ihrer Verteidigung. Du sagtest, du hättest ihre Gedanken gelesen und nichts gesehen, was darauf hindeutet, dass sie einen Menschen zeichnete.«
» Ich war mir nicht bewusst, dass es so einfach ist, einen Gestaltwandler zu erschaffen. Um einen Vampir zu erschaffen, ist Vorsatz nötig. Ich nahm an, das träfe auch auf die Erschaffung eines Gestaltwandlers zu.«
Gil zauberte eine Schriftrolle aus der Luft und kritzelte eine Bemerkung nieder. Kein gutes Zeichen.
Nathanial sah sie an. » Sag mal, gab es irgendwelche Berichte darüber, dass sich der Einzelgänger in einen speziellen Katzentyp verwandelt hat? Eine Hauskatze? Wenn der Einzelgänger keine Hauskatze ist, würde das dann nicht ihre Unschuld beweisen?«
Ich bedachte ihn mit einem finsteren Blick. » Wie kommst du auf den Gedanken, dass mein Tier auch seines sein müsste?« Weil er kein Gestaltwandler ist. » So funktioniert das mit dem Zeichnen nicht. Das Tier des Einzelgängers könnte alles
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