Kuss der Nacht - Band 02
zustoßen. Bones hielt meine Arme nicht fest. Sie waren lose um ihn geschlungen. Er hatte eine Hand in meinem Haar vergraben, mit der anderen bewahrte er mich vor dem Hinfallen. Das Grau, das mein Gesichtsfeld von den Rändern her mehr und mehr einschränkte, wurde noch undurchdringlicher, das Rauschen, das ich hörte, hatte sich zu einem tosenden Lärm gesteigert. Er oder ich, hieß es jetzt, denn freiwillig würde er nicht aufhören.
Meine Finger legten sich um das Heft des Messers, um zum Stoß anzusetzen. . und lösten sich dann wieder. Das Messer glitt mir aus der Hand, und ich presste Bones enger an mich. Ich kann es nicht tun, war mein letzter Gedanke. Außerdem gibt es schlimmere Arten zu sterben.
15
Ganz allmählich kehrte mein Bewusstsein zurück. Als Erstes fiel mir auf, dass mein Herz noch schlug. Okay, ich bin nicht tot und auch kein Vampir geworden. Schon mal nicht schlecht. Dann merkte ich, dass mein Kopf auf einem Kissen ruhte. Noch etwas später dämmerte mir, dass ich ausgestreckt unter einer Decke auf der Seite lag. Der Raum war dunkel, die Vorhänge zugezogen. Arme, fast so blass wie meine eigenen, waren von hinten um mich geschlungen.
Da kam ich vollends zu mir.
»Wo sind wir?«
Ich wusste sofort, wer da neben mir lag, auch wenn ich mich noch fühlte, als hätte ich Watte im Kopf.
»In dem Haus in Richmond, das ich gemietet habe.«
»Wie lange war ich bewusstlos?« Die verrücktesten Details kamen mir wichtig vor; warum, wusste ich nicht.
»Vier Stunden ungefähr. Lange genug, um alle Decken an dich zu reißen. Als ich dir zugesehen habe, wie du geschnarcht und dich in die Tagesdecke eingewickelt hast, ist mir bewusst geworden, was mir am meisten gefehlt hat. Dich in den Armen zu halten, wenn du schläfst.«
Ich setzte mich auf und fuhr mir mit der Hand an die Kehle. Wie erwartet war nichts zu spüren. Keine Bissspuren oder Schwellungen, die hätten bezeugen können, was geschehen war. Bones hatte die Wunde mit einem Tropfen seines Blutes geschlossen.
»Du hast mich gebissen«, sagte ich anklagend, aber weitaus weniger ärgerlich als beabsichtigt. Vielleicht lag es an dem Halluzinogen in seinen Reißzähnen, vielleicht auch am Blutverlust, jedenfalls. . belastete mich alles gar nicht mehr so sehr. Und es hätte mich belasten sollen. Wir waren zwar beide noch voll bekleidet, aber ich lag mit Bones in einem Bett, was nicht gerade von Vorteil war, wenn ich meine emotionale Distanz wahren wollte.
»Ja«, sagte er nur. Er setzte sich nicht einmal auf, sondern blieb ganz gelassen in den Kissen liegen.
»Warum?«
»Das hat viele Gründe. Soll ich sie dir alle auflisten?«
»Ja.« Meine Stimme hatte einen schneidenden Unterton bekommen. Für meinen Geschmack wirkte er viel zu unbekümmert.
»Vor allem, um etwas zu verdeutlichen«, sagte er und richtete sich endlich auf. »Du hättest mich umbringen können. Das wäre sogar das einzig Vernünftige gewesen. Ein Vampir wollte dich aussaugen, und du hattest ein Silbermesser in den Hand. Nur ein Narr hätte es nicht benutzt. . oder jemand mit viel tieferen Gefühlen, als er zugeben möchte.«
»Du Bastard, du wolltest mich mit deinem Biss auf die Probe stellen?«, rief ich, sprang aus dem Bett und schwankte, als mich ein plötzlicher Schwindelanfall überkam. Bones hatte anscheinend ordentlich zugelangt.
»Das hättest du auch bitter bereuen können. Vielleicht hätte ich ja doch zugestoßen. Wie konntest du so dumm sein? Du hättest draufgehen können!«
»Und du auch«, gab er zurück. »Ehrlich gesagt war es mir das wert, nachdem ich mich jahrelang gefragt habe, was du für mich empfindest. Gib es zu, Kätzchen. Du kannst mich genauso wenig vergessen wie ich dich - da kannst du leugnen und lügen und mit diesem Idioten ausgehen, so viel du willst.«
Ich musste wegsehen. Von ihm zu hören, dass er mich nicht vergessen konnte, traf mich wie ein samtumhüllter Hammer mitten ins Herz. Dass er Noah beleidigt hatte, registrierte ich gar nicht richtig.
»Spielt alles keine Rolle«, sagte ich schließlich. »Das mit uns beiden funktioniert nicht, Bones. Nichts wird etwas daran ändern, was du bist, und ich werde nichts daran ändern, was ich bin.«
»Beantworte mir eine Frage, Kätzchen. Wenn es nur um uns beide ginge, niemanden sonst, würde es dir etwas ausmachen, dass ich kein Mensch bin? Ich weiß, was der Rest der Welt denkt-deine Mutter, deine Arbeitskollegen, deine Freunde. Aber stört es dich, dass ich ein Vampir bin?«
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