Kuss der Nacht - Band 02
»Sie ist da«, sagte Bones überflüssigerweise. Mit der unvergleichlichen Anmut der Untoten kam sie auf uns zugeschwebt. Ihre kühlen, aristokratischen Züge wiesen sie deutlich als Mitglied der Oberschicht aus, und ihre Haut hatte trotz leichter Fältchen das typisch vampirische Leuchten. Warum kann sie nicht hässlich sein?, war mein erster Gedanke. Die sieht ja aus wie eine Mischung aus Marilyn Monroe und Susan Sarandon!
Ihre champagnerfarbenen Augen fingen gleich meinen Blick auf, und mir war sofort klar, dass wir etwas gemeinsam hatten. Sie konnte mich auch auf Anhieb nicht leiden.
»Crispin, bekomme ich nach meinem langen Flug ein Küsschen?«
Sogar den typischen Akzent der britischen Oberschicht hatte sie. Sie trug ein elegantes marineblaues Jackett und dazu passende Hosen, und für ihre Schuhe wäre bestimmt mein ganzes letztes Gehalt draufgegangen. Ich brauchte sie nur anzusehen, und schon hatte ich das Gefühl, irgendetwas Ekliges im Gesicht oder zwischen den Zähnen stecken zu haben.
»Selbstverständlich«, antwortete Bones und hauchte ihr einen Kuss auf beide Wangen. Sie erwiderte die Geste und musterte mich dabei derart abschätzend, dass ich mir gleich so nichtssagend vorkam, wie sie mich, ihrem Lächeln nach zu urteilen, einschätzte.
Bones wandte sich mir zu. »Das ist Cat«, stellte er mich vor.
Ich streckte die Hand aus. Sie ergriff sie mit vornehmer Gönnermiene, indem sie ihr blasses, zierliches Patschehändchen nur ganz kurz schloss.
Oh, sie hatte durchaus Kraft. Keine Meisterin, aber doch ganz ordentlich.
»Freut mich sehr, dich endlich kennenzulernen, Herzchen. Ich hatte so sehr gehofft, dass Crispin dich finden würde.« Gespielt tröstend fuhr sie ihm mit dem Finger übers Gesicht. »Der Ärmste war ganz krank vor Sorge, weil er dachte, dir wäre etwas zugestoßen.«
Jetzt war es offiziell. Ich hasste sie. Wie gütig von ihr, mich daran zu erinnern, dass ich schuld an Bones' langer Leidenszeit war. Wo waren all die schönen Silbermesser, wenn man sie brauchte ?
»Wie du siehst, Annette, hat er mich gesund und munter zurückbekommen.« Zur Untermalung führte ich die Hand, mit der er meine ergriffen hatte, an die Lippen und küsste sie.
Ihr Lächeln wurde eisig. »Mein Gepäck dürfte jeden Augenblick ankommen. Crispin, warum holst du nicht den Wagen, solange Cat und ich warten?«
Ich war mir nicht sicher, was das kleinere Übel war - selbst mit ihr allein zu sein oder anzubieten, den Wagen zu holen und Bones mit ihr allein zu lassen. Ich entschied mich für Ersteres, weil ich damit eher klarkam, und Bones ging los, um das Auto zu holen.
Annette hatte jede Menge Gepäck, das sie netterweise mir auflud, als wäre ich ein Packesel, während sie mir im Plauderton alle möglichen Beleidigungen an den Kopf warf.
»Was für einen schönen Teint du doch hast. Die gute Landluft hat bestimmt das Ihre dazu beigetragen. Crispin meinte ja, du kommst von einem Bauernhof, das stimmt doch, oder?« Wie das Vieh, sagte ihr blasiertes Lächeln. Bevor ich antwortete, wuchtete ich mir einen ihrer schweren Koffer auf die Schulter. Gott, was hatte die bloß da drin, Backsteine?
»Es war eine Kirschplantage, was aber kaum Auswirkungen auf meinen Teint gehabt haben dürfte. Den habe ich von dem Vampir, der meine Mutter vergewaltigt hat.«
Sie schnalzte mit der Zunge. »Grundgütiger, ich konnte es kaum glauben, als Crispin mir erzählt hat, was du bist, aber wenn man jemanden zweihundert Jahre lang kennt, vertraut man ihm natürlich.«
Cleverer Schachzug. Schön mal eingeworfen, wie lange du mit ihm zusammen warst, als wenn ich das nicht wüsste. Aber die miese Tour kannte ich auch.
»Ich kann es gar nicht erwarten, alles über dich zu erfahren, Annette. Bones hat kaum von dir gesprochen. Nur dass du ihn für Sex bezahlt hast, als er noch ein Mensch war, hat er mir erzählt.«
Verschmitzt kräuselten sich ihre Lippen. »Wie süß, dass du ihn bei seinem angenommenen Namen nennst. Das machen alle, die ihn erst so kurz kennen.«
Kurz kennen? Ich knirschte mit den Zähnen. »Unter diesem Namen hat er sich mir vorgestellt. Wer wir einmal waren, ist unwichtig, das Jetzt zählt.« Er ist nicht mehr dein Betthäschen, kapiert?
»Ach wirklich? Und ich dachte immer, man legt sein ursprüngliches Wesen nie ganz ab.«
»Wir werden ja sehen«, murmelte ich.
Auf dem Weg zum Ausgang wurde ich von ihrem Gepäck schier erdrückt. Ich ging hinter ihr und nutzte die Gelegenheit, um sie eingehend zu
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