Kuss der Nacht - Band 02
betrachten. Ihr schulterlanges Haar hatte einen blass rotblonden Ton, der ganz ausgezeichnet zu ihrer hellen Pfirsichhaut passte. Sie hatte eine sehr viel üppigere Figur als ich und war etwa sechs Zentimeter kleiner als ich mit meinen einsfünfundsiebzig. Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte ich sie auf Mitte Vierzig geschätzt. Was ihr aber nicht schlecht zu Gesicht stand, denn sie strahlte eine schwüle, reife Sinnlichkeit aus, die jede jüngere Frau im Vergleich blass aussehen ließ.
Kaum hatte Bones mich erblickt, kam er angestürzt, um mir zu helfen.
»Kreuzdonnerwetter, Annette. Du hättest mir sagen sollen, wie viele Koffer du hast!«
»Oh, Verzeihung, Cat«, kicherte Annette in gespielter Bestürzung. »Ich bin es gewohnt, auf Reisen einen Bediensteten bei mir zu haben.«
»Nicht der Rede wert«, stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Bediensteter! Für wen hielt die sich eigentlich?
Nachdem das Gepäck im Kofferraum verstaut war, fuhren wir schließlich los.
»Wann treffen die übrigen Sippenmitglieder ein?«, fragte Annette, während sie sich im Sitz zurücklehnte. Weil Max meinen Volvo kannte, hatten wir uns einen neuen Wagen zugelegt. Einen todschicken BMW. Ich würde Bones später fragen, wo er ihn herhatte.
»Heute und morgen. Freitag werden wohl alle hier sein.«
Von Annette war ein leises Schniefen zu hören, obwohl eine verstopfte Nase sie als Vampirin eigentlich nicht hätte kümmern müssen. »Crispin, ich muss mich schon wundern, dass Belinda in Cats kleine Falle getappt ist. Seit deinem Geburtstag vor sechs Jahren habe ich sie nicht gesehen. Oder ist es erst fünf Jahre her?«
»Sie wurde geschnappt, weil sie sich mit ein paar Typen eingelassen hat, die auf Lebendfutter standen.«
In seinem Tonfall lag eine Kälte, die mich aufhorchen ließ, während Annettes Lippen sich zu einem maliziösen Lächeln verzogen.
»Entsetzlich. Sie muss sich sehr verändert haben. Dabei waren wir drei doch noch vor fünf Jahren so vertraut miteinander.«
Bones starrte sie im Rückspiegel wütend an, während mir klar wurde, was »so vertraut miteinander« zu bedeuten hatte. Um ein Kaffeekränzchen ging es bestimmt nicht. Und vor fünf Jahren war Bones mit mir zusammen gewesen.
»Beantworte meine Frage, Herzchen. Hattet ihr euren flotten Dreier vor sechs oder vor fünf Jahren? Bones hat mir nämlich schon erzählt, dass er mit Belinda in die Kiste gestiegen ist, Annette, aber danke für den freundlichen Hinweis, dass du auch dabeiwarst.«
Bones fuhr an den Straßenrand.
»Ich verbitte mir ein so ungebührliches Betragen, Annette«, sagte er und drehte sich mit einem Ruck zu ihr um. »Cat weiß verdammt noch mal sehr wohl, was du andeuten willst, das siehst du ja selbst, und ich habe keine Ahnung, warum du ihr das unbedingt auf die Nase binden musstest. Wie du ebenfalls weißt, hat dieser Zwischenfall vor acht Jahren stattgefunden, also bevor ich sie kennengelernt habe, und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du ihr keine weiteren derartigen Anekdoten mehr vortragen würdest.«
Er klang so sauer, wie ich es war. Annette warf mir einen Blick zu und zog dann, ganz Unschuldsengel, die Augenbrauen hoch.
»Ich bitte um Verzeihung. Vielleicht bin ich durch den langen Flug nicht mehr ganz ich selbst.«
»Kätzchen.« Bones sah mich an. »Reicht dir das als Entschuldigung?«
Nein, tat es nicht, und am liebsten hätte ich Ihre Majestät mitsamt ihrer Wagenladung Gepäck einfach irgendwo ausgesetzt, aber das wäre kindisch gewesen.
»Mit ein paar Geschichten über Dreiecksbeziehungen kann ich wohl umgehen, aber eins sage ich dir, Annette, was uns drei angeht, wird sich so etwas nicht wiederholen.«
»Niemals«, versicherte sie mir mit einem Funkeln im Auge, das ich im Rückspiegel sehen konnte. Oh, wir beide waren noch nicht fertig miteinander. Beileibe nicht. Der Rest der Fahrt verging ohne Zwischenfall. Zu meiner Erleichterung kümmerte sich Annette um eine Unterkunft für die nächsten Tage. Nächste Woche wollte Bones Ian mitteilen, dass er mich gefunden hätte, und in der Woche darauf vorgeben, meine drei Captains gefangen genommen zu haben. Und als hätte ich nicht schon genug damit zu tun gehabt, über Ian, die Sicherheit meiner Männer, das Mordkomplott meines Vaters und Bones' wiedergewonnene Freiheit nachzudenken, musste ich mir jetzt auch noch ständig vorstellen, wie Annette, Belinda und Bones sich durch das Kamasutra turnten. Zur Hölle mit ihr. Das war das Letzte, was mir jetzt
Weitere Kostenlose Bücher