Kuss der Nacht - Band 02
niedergewalzt. Ganze zehn Minuten lang rangen wir so miteinander. Ich musste ein paar üble Schläge von Annette einstecken, aber am Ende rammte ich ihr das Silbermesser in die Brust.
Sie erstarrte. Ihre Augenfarbe wechselte sofort von Smaragdgrün zu Champagner, und ein einzelnes, abgehacktes Stöhnen entfuhr ihr.
»Wenigstens hältst du, was du versprichst. Aber du hast danebengestochen. Ziel verfehlt.«
Ich setzte mich rittlings auf sie, das Heft des Messers ruhig umfasst. »Ich habe mein Ziel nicht verfehlt, Miststück. Eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk, und du bist nur noch eine üble Erinnerung mit noch üblerem Geruch. Ich glaube, wir müssen uns mal unterhalten, so von Frau zu Abschaum. Ich weiß, warum du das tust. Du willst, dass ich Bones noch einmal verlasse, aber spar dir die Worte, denn das wird nicht passieren. Bones hat mir verziehen, dass ich weggelaufen bin und ihm jahrelange Einsamkeit beschert habe, also kannst du deine abgehalfterte Rudelbums-Muschi darauf verwetten, dass ich ihm verzeihe, wenn er sich einmal an dir das Maul verbrennt. Haben wir uns verstanden?«
Annette sah mit wütendem Blick und schmerzverzerrtem Gesicht zu mir auf. Silber tat weh, das wusste ich aus Erfahrung. »Du hast ihn gar nicht verdient.«
Ich hätte fast gelacht. »Da hast du recht. Aber das ist sein Problem, nicht deines. Dein Problem ist Folgendes: Findest du dich mit der Situation ab, wie sie ist, oder ziehst du es vor, aus seinem Leben zu verschwinden? Sieh mal, ich blase dir jetzt nicht das Licht aus, weil Bones sich wirklich etwas aus dir macht. Armer Teufel, wenn es um Frauen geht, lässt ihn doch immer die Vernunft im Stich, nicht wahr? Begnügst du dich mit einer rein platonischen Beziehung zu ihm, überwinde ich mich dazu, dir nicht das Herz aufzuschlitzen, obwohl ich das sehr, sehr gerne tun würde. Was sagst du dazu?
Abgemacht?«
Plötzlich weiteten sich ihre Augen alarmiert. »Runter von mir, er ist fast hier!
Grundgütiger, er wird stinkwütend auf mich sein!«
Verblüfft sah ich auf sie herunter. Hier saß ich und hatte mein Messer in ihrer Brust stecken, und sie machte sich Sorgen wegen einer Strafpredigt von Bones? Das sollte einer verstehen.
»Abgemacht?«, drängte ich beharrlich.
Sie feuerte einen wütenden Blick auf mich ab. »Ja, um Himmels willen, und jetzt lass mich aufstehen! Ich muss die Wohnung in Ordnung bringen. Verdammt, er hat gerade Gas gegeben !«
Ich verdrehte die Augen und zog ihr vorsichtig das Messer aus der Brust. Sie sprang sofort auf, allerdings ohne irgendwelche feindlichen Absichten. Im Gegenteil. Sie fing an aufzuräumen wie ein wild gewordener Putzteufel.
Einen Augenblick später schlug die Autotür zu, und die Eingangstür öffnete sich. Bones sah Annette so wütend an, dass sie mir richtig leidtat.
»Und das, Annette, nennt man Pilates«, sagte ich und streckte mich übertrieben.
»Sehr interessant«, fiel sie hastig in meine Improvisation ein und sah Bones aus unschuldigen Augen an. »Oh, Crispin, du bist aber früh zurück. .«
»Geschenkt«, schnitt er ihr das Wort ab. Mit hochgezogenen Brauen kam er zu mir, griff hinten in meinen Hosenbund und zog das blutige Messer hervor, das ich eilig dort hineingeschoben hatte. Dann schlenderte er gemächlich auf Annette zu und ließ
es vor ihren angsterfüllten Augen baumeln.
»Falls sich Pilates nicht zu einer äußerst extremen Sportart entwickelt hat, würde ich sagen, ihr beide habt einen Kampf ausgetragen. Einen so lautstarken Kampf, dass ich ihn sogar von weitem hören konnte.«
Seine Stimme hatte einen drohenden Unterton bekommen. Die Spannung nahm zu. Hinter ihm steckte jemand den Kopf zur Tür herein.
»Rodney!«
Ich umarmte den überraschten Ghul, der eine so herzliche Begrüßung offensichtlich nicht erwartet hatte.
Tate, Juan und Cooper waren gerade erst ausgestiegen, aber ich winkte sie herein. Alles, um die explosive Situation zu entschärfen, in die ich nicht auch noch verwickelt werden wollte. Im selben Moment fuhr ein zweiter Wagen vor, auf dessen Tür ein italienisches Logo prangte.
»Seht mal.« Breites, falsches Lächeln. »Das Essen ist da! Wer möchte was?«
31
Annette, die sich noch umkleiden musste, zog sich mit einer höflichen Entschuldigung zurück, und ich tat es ihr gleich. Rodney räumte kommentarlos die zertrümmerten Möbel weg, und Bones folgte mir ins Schlafzimmer.
»Nicht jetzt«, begann ich, bevor er auch nur den Mund aufmachen konnte. »Es ist alles geklärt. Die
Weitere Kostenlose Bücher