Kuss der Sünde (German Edition)
sie unglücklich machen. Du wirst es so weit bringen, dass ihre Liebe sich in Abscheu wandelt, denn du kannst nicht aus deiner Haut.“
Er schien fassungslos. Seine Miene wurde leer. Sie hatte ihm einen herben Schlag versetzt und ihr wurde klar, damit hatte sie sein Vertrauen verspielt.
„Es musste gesagt werden“, murmelte sie niedergeschlagen und sah auf ihren Teller, auf dem die Butter auf dem Brot verlief.
„Ich werde mich heute auf die Suche nach einem Geistlichen machen, der sich bereit erklärt, uns zu trauen“, setzte er sie mit kalter Stimme in Kenntnis. „Solltest du es ablehnen, unsere Trauzeugin zu sein, wird sich jemand anderes finden. Wie auch immer – wenn ich zurückkomme und herausfinde, dass du Viviane durcheinandergebracht hast mit deinen idiotischen Reden, kannst du deine Sachen packen und verschwinden.“
Ninon spürte, wie ihr das Blut aus dem Kopf wich. Ein leichter Schwindel setzte ein. Er meinte es ernst. Auf Biegen und Brechen wollte er Viviane Pompinelle heiraten und es darauf ankommen lassen. Die junge Frau war geblendet, von ihren weltfremden Ansichten ebenso wie von Olivier, der ein begnadeter Blender war. „Wenn du deinen Plan ausführst, werde ich ohnehin die Koffer packen, denn ich werde nicht mit ansehen, wie du dich an ihr schadlos hältst für ein Unrecht, das sie nicht begangen hat“, erwiderte sie und erhob sich vom Frühstückstisch.
Sie hörte seine festen Stiefeltritte, als er ohne Abschied aus dem Haus polterte und zu den Ställen ging. Kurze Zeit später verklang der Hufschlag seines Pferdes. Ninon konnte nicht glauben, was sie zueinander gesagt hatten. Durch ihre langjährige Freundschaft zog sich ein Riss, am Ende bedeutete es gar den endgültigen Bruch. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, und beschränkte sich auf das, was sie schon immer getan hatte. Sie schaffte Ordnung, räumte den Frühstückstisch ab, bereitete Viviane ein Tablett vor und brachte es zu ihr hinauf ans Bett. Danach zog sie sich unter einem Vorwand zurück und packte ihre Koffer.
Die grob behauenen Mauern der kleinen Dorfkirche erdrückten ihn. Die schmalen Fenster kamen ohne Glas aus und boten einen Blick auf einen Himmel, dessen Blau sich in ein schmutziges Schwefelgelb verfärbt hatte. Ein Gewitter lag in der Luft. Olivier hatte Paris und die Vororte weit hinter sich gelassen. In einem abgelegenen Dorfsprengel war er auf einen Kirchenmann gestoßen, der Seltenheitswert besaß. In Frankreich wimmelte es von korrupten Kirchendienern, die bei einer gut gefüllten Geldbörse ihren Dienst an ihrer Kirche frei auslegten und keine Reue empfanden. Der kleine Geistliche, der vor ihm stand, gehörte nicht zu ihnen, sondern war von einer Glaubenskraft erfüllt, die ihm bisher keine Gelegenheit gegeben hatte, die mitgeführte Geldbörse überhaupt ins Spiel zu bringen.
Innerlich begann er sich zu winden, da der Geistliche ihn mit Fragen bestürmte. Wie oft besuchte er die Messe? Wann hatte er zum letzten Mal gebeichtet? Konnte er das heilige Sakrament des Abendmahls in seiner ganzen Gewichtung erfassen? Glaubte er an den Leib und das Blut Christi? Allmählich verfluchte er sich selbst und seinen Entschluss, die Schwelle dieses Gotteshauses überschritten zu haben. Die Situation wurde nicht nur beengend, weil die Fragen des rundlichen Kuttenträgers ihn einkesselten, sie verlor mehr und mehr an Sinn und Realität. Nachdem er alle Fragen beantwortet, und keine davon der Wahrheit entsprochen hatte, strahlte der Priester ihn an und faltete die Hände über seinem Bäuchlein.
„Es erfüllt mich mit Neugier, mein Sohn, weshalb ein guter, gläubiger Christ in aller Heimlichkeit die Ehe schließen möchte. Ihr Wunsch nach einer Zeremonie in aller Stille macht mich stutzig, denn der Hochzeitstag soll ein Freudentag für das Brautpaar und die Familien sein.“
Dass der Priester ihn seinen Sohn nannte, machte alles noch schlimmer. Wieder musste er zu einer Lüge greifen, und das direkt vor einem Altar. „Wir können uns kein großes Fest leisten“, brummelte er und stierte auf seine Stiefelspitzen. Unter der Staubschicht, die sich auf seinem Ritt an diesen abgelegenen Ort darübergelegt hatte, schimmerte weiches Kalbsleder hervor. Selbst ein einfacher Dorfpriester konnte erkennen, dass es teure Stiefel waren. Flugs griff er zu einer weiteren Ausrede. „Wir wollen auch nicht länger warten.“
Vergnügt blitzende Augen funkelten ihn verständnisvoll an. „Die Jugend ist stets
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