Kuss der Sünde (German Edition)
dunkelblauer Tinte.
Ihre Lippen, noch rot und geschwollen von seinen Küssen, teilten sich zu einem strahlenden Lächeln. Er wusste nicht, weshalb ausgerechnet sie imstande war, ihn bis ins Mark zu treffen, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Er wusste nur, dass er an einem Gängelband ging, das ihm behagte. Er, der sich schon immer schwer damit getan hatte, sich irgendwo einzufügen, fügte sich widerstandslos ihren Wünschen.
„Dieses Licht um deine Hände. Es ist seltsam, denn ich …“
„Das bildest du dir ein“, fiel er ihr hastig ins Wort und schüttelte die Hände aus. Dieses Licht hatte auch er an ihr gesehen. An ihr, und wie es ihm im Nachhinein vorkam, auch an Adrienne.
„Kennst du einen Ort namens Brocéliande?“, entfuhr es ihm.
Die Frage schien sie aus dem Konzept zu bringen. Ihr Blick huschte zur Seite und wieder zu ihm zurück. „So wird der Wald von Paimpont genannt, vielmehr behaupten manche, Brocéliande sei sein Herzstück“, antwortete sie zögernd. „Er liegt in der Bretagne, das Land meiner Großmutter grenzt daran. Sie ist eine Kerouac und dort wie alle meine Vorfahren mütterlicherseits geboren.“
„Ein Wald, aha.“
„Brocéliande ist die Heimat vieler Legenden. Merlin. Die Herrin vom See. Zauberquellen und ein Tal, aus dem untreue Liebhaber nie wieder entweichen können. Ein Feenreich. Das Land des ewigen Sommers.“
Adrienne hatte ihm diesen Wald zeigen wollen, und schien sogar angedeutet zu haben, von dort zu stammen. Nun, ihre Liebeskünste waren zweifelsohne legendär, aber sie deswegen eine Fee zu nennen, außer als Kompliment …
„Vielleicht sollten wir diesen Wald einmal besuchen.“
„Ja, vielleicht.“
Nach ihrer Zustimmung breitete sich andächtige Stille um sie aus. Die Stille eines geleisteten Schwures. Er musterte ihren Mund, die zierliche Nase, die weit auseinanderstehenden, etwas schrägen Augen. Katzenaugen. Bei Adrienne waren sie grün. Was dachte er da eigentlich? Wären durchscheinende Haut und Schönheit Attribute für eine Fee, wären etliche Pariser Frauen Märchenwesen. Außerdem besaß Viviane dunkles Haar und hatte nichts Zerbrechliches an sich. Gott, die Situation drohte, ihn zu überfordern. Er verlor den Überblick. Wie konnte er die Tochter eines Marquis heiraten? Wie sollte er andererseits auf diese Frau verzichten?
Sie umrundete den Schreibtisch, zwängte sich zwischen ihn und die Tischkante und setzte sich auf seinen Schoß. „Olivier, wer hat dir von Brocéliande erzählt?“
„Eine … gute Bekannte.“
„War es in deiner Kindheit? Ein Märchen vielleicht.“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, erst vor Kurzem.“
Stumm nickte sie. Er versank in ihrem blauen Blick. Das Band zwischen ihnen war weder allein durch ihre Schönheit, noch körperliche Anziehung zu erklären. „Was willst du mir über diesen Wald sagen?“, forderte er sie auf, weil sie zögerte.
Ihre Stirn lehnte sich an seine. Sie war ihm so nah, dass ihr Gesicht vor seinen Augen verschwamm und sich ihr Atem mischte. „Der Landsitz meiner Großmutter, der Mutter meiner Mutter, grenzt direkt an diesen Wald. Ein Teil davon gehört zu ihrem Besitz.“ Ihre Stimme senkte sich zu einem tonlosen Flüstern. „Ich werde dir nun etwas verraten, was niemand außerhalb der Familie weiß. Ich glaube, nicht einmal mein Vater kennt die ganze Wahrheit.“ Tief holte sie Luft. „Vor sehr langer Zeit gab es einmal ein Volk …“
„… das sich entzweite“, beendete er ihren Satz.
Kurz weiteten sich ihre Augen. „So ist es. Meine Großmutter sagte immer, es begann, diese Welt zu verabscheuen, in der das Land von Blut genährt wurde und ein Krieg dem anderen folgte. Deswegen zogen sie sich zurück. Tief in die Wälder der Bretagne. Ihr großes Wissen, ihr Können und ihre Gaben nahmen sie mit. Die Menschen hielten es für Magie, und dadurch entstanden Legenden. Vielleicht war es tatsächlich Magie, denn bis heute hat niemand den Weg zu ihnen gefunden. Nach Brocéliande, dem Wald des ewigen Sommers. Das Reich des Feenvolks.“
Adrienne hatte Ähnliches angedeutet. Dennoch schüttelte er den Kopf. „Das sind Märchen.“
„Ja, Märchen über die Herrin vom See und ihre vielen Namen. Einer davon lautet Viviane. Während die einen ihrer Königin folgten, sich von dieser Welt abkehrten, wollten einige andere nicht weichen. Sie sind die Dunklen. Die Tückischen. Jene, die gelernt haben, zu kämpfen, zu töten, sich zu behaupten und letztendlich eine Niederlage erlitten. Die
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