Kuss der Sünde (German Edition)
Besseres einfallen. Einzig auf den eigenen Tod zu bauen, reicht nicht aus. Ihr Gesicht ist zu bekannt, Olivier. Die Polizei mag es nicht kennen, solange andere ihr keinen Hinweis geben. Aber wer garantiert Ihnen dieses Stillschweigen?“
Eine Vielzahl an Briefen und Namenslisten ebenso wie Absprachen zw i schen ihm und einigen gefährlichen Männern der Pariser Unterwelt. Erstere würden bei einer Gegenüberstellung aus purem Eigeninteresse leugnen, ihm jemals begegnet zu sein, letztere waren ihm zu Dank verpflichtet. Auf Gaun e r ehrenwort, und dies besaß größeren Wert als der Handschlag eines Ede l manns.
„Lorenza, ich gedenke nicht, mich zu verbergen. Stattdessen plane ich heute einen Besuch im Theater, um mich zu zeigen. Ich teile nicht die Meinung der Allgemeinheit, die glaubt, ein gutes Versteck wäre in einem kleinen, dunklen Loch zu finden. Löcher mögen für Mäuse geeignet sein. Zu dieser Gattung zähle ich mich nicht. Danke für den Mokka.“
Er ignorierte ihr Stirnrunzeln und streifte ihre Lippen mit einem letzten Kuss, ehe sie das Ankleidezimmer verließen und in den Nebenraum zurüc k kehrten, in dem die Dienstboten eifrig wuselten.
Ohne Scheu umarmte sie ihn und küsste ihn auf beide Wangen. „Ich kann Ihnen nur viel Glück wünschen, Monsieur. Sie werden es brauchen.“
„Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen eine sichere Reise.“
Ein inniges Lächeln war das L etzte , was Olivier von ihr erhielt, als sie ihn zur Tür begleitete. Er trat auf die Straße hinaus und schlenderte ohne Eile davon. Erst nachdem er um eine Ecke gebogen war, beschleunigte er seine Schritte.
Bei allem zur Schau gestellten Pragmatismus wusste er den Wert der erha l tenen Informationen zu schätzen. Die Inszenierung seines Todes war erfol g reich gewesen. Er wollte es nicht darauf ankommen lassen, dass sein Name in Erinnerung geriet. Er klopfte seine Rocktasche auf der Suche nach einer kle i nen Münze für eine Droschke ab und stieß dabei auf einen harten länglichen Gegenstand. Mit zwei Fingern hangelte er danach und zückte einen Metallstift, dessen eines Ende die Form einer Blüte aufwies.
„Lorenza“, murmelte und belächelte diesen letzten Liebesdienst. Es fehlte jeder Hinweis darauf, in welches Schloss dieser ungewöhnliche Schlüssel pas s te, doch unter Garantie befand es sich irgendwo im Palais des Kardinals.
Obwohl Viviane eine andere Einstellung zu ihrer Neigung gewonnen hatte und ihr seit Monaten ohne Scheu nachgab, überrumpelte sie die hohe Anzahl an Silberlöffeln in ihrer Kommodenschublade.
Für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass ihre mystische Abstammung zutraf, war es umso peinlicher. Die Nachfahrin eines Feenvolkes mit einer seltenen Gabe sollte diese für Besseres verwenden, anstatt sie auf Suppen-, Dessert- und Teelöffel zu vergeuden. Die Wappen verrieten ihre Herkunft, sie stammten alle aus den Häusern von Freunden der Familie. Ein Lächeln schlich sich um ihre Mundwinkel. Diese Löffel boten ihr vielleicht die letzte Gelegenheit , eine Heirat mit Casserolles zu verhindern.
Ihr Vater würde niemals zulassen, dass ein Mann von Ehre unter den Feh l tritten seiner Tochter litt. Wenn sie ihm das zeigte, musste er eingreifen. Sor g fältig breitete sie ihre Hemdchen über dem Diebesgut aus, schlug die Schubl a de zu und machte sich auf die Suche nach ihm.
Sie stand vor seinem Arbeitszimmer und hatte die Hand gehoben, um sich bemerkbar zu machen, als sie seine Stimme vernahm. Laut und ungewohnt hitzig.
„Weshalb suchen Sie ausgerechnet mich auf? Ich war nicht einmal imstande, die Königin davon abzubringen, vor das Parlament zu treten. Sie hätten mich vor dieser wenig ruhmreichen Verhaftung eines Kardinals aufsuchen sollen, Thiroux. Jetzt sitzen S ie vor mir und erbitten einen Rat, weil Sie die Galle plagt.“
Louis Thiroux de Crosne war der Polizeipräfekt von Paris und ein Jugen d freund ihres Vaters. Ihre langjährige Freundschaft erlaubte offene Worte. Keines davon wollte sie sich entgehen lassen. Viviane drückte das Ohr an die Tür.
„Sie kennen die Königin, Pompinelle. Ein Wort zur falschen Zeit und man geht ihrer Gnade, aller Ämter und jeder Gunst verlustig.“
Die kurze Pause, die daraufhin entstand, nutzte sie dazu, den Gang entlangzublicken . Niemand zu sehen. Pauline war bei ihrem Pony, ihre Mutter war ausgegangen, und Juliette hatte ihre Zimmertür verriegelt. Wie so oft in letzter Zeit.
„Welche Hinweise haben Sie, dass der Brief des Erpressers
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