Kuss des Apollo
meinen Vater immer für mich allein. Sie spielt seine Ehefrau in dieser Serie.«
»Eine sympathische Frau.«
»Ja, schon. Aber mich hat es gestört. Ich bin eifersüchtig, ich gebe es zu. Ganz blöd von mir.«
»Und Ihre … Ihre Mutter?«
Frau Holm füllte wieder die Tassen, und Geraldine nahm sich einen Keks aus der dänischen Dose.
Es gab immer Kekse aus Dänemark im Haus. Die brachte einer der Freunde von Frau Holm mit, der gelegentlich von Munkmarsch aus hinüber nach Dänemark segelte.
»Ach, meine Mutter! Das ist eine seltsame Geschichte. Es war keine gute Ehe, und mein Vater war froh, als sie uns verlassen hatte. Ich habe sie auch nicht vermisst. Komisch, nicht? Aber darum bin ich mit meinem Vater so eng verbunden.«
Sie erzählte, was sie über Tilla wusste, allzu viel war es genau genommen nicht. »Es ist eigenartig, aber ich war froh, als sie weg war. Es war immer so eine ungute Atmosphäre bei uns, und das lag an ihr. Das habe ich schon als Kind gespürt. Und dann lernte sie diese berühmte Fotografin kennen und verschwand mit ihr nach München.«
Weil sie keine Beziehung zu ihrer Mutter hatte, hatte sie auch nie von ihr gesprochen. Wie sollte man das einem Fremden auch begreiflich machen.
Doch an diesem Abend sprach sie plötzlich von Tilla. Sie fühlte sich wie erlöst.
»Jana versteht sich gut mit Ihnen, und Janas Kinder sind ein Teil Ihres Lebens. Aber ich habe nie eine Mutter gehabt, die zu mir gehörte. Und zu meiner Großmutter gab es auch keine enge Beziehung. Mein Vater war immer die wichtigste Person in meinem Leben. Meine Mutter ist eine sehr hübsche Frau, sie war früher Tänzerin …«
Geraldine redete sich alles von der Seele.
Frau Holm hörte ihr geduldig zu. Sie begriff, dass es für Geraldine ein Bedürfnis war, einmal ihr Herz auszuschütten, und am besten einer Frau, die Mutter war und sich mit Kindern und Enkeln gut verstand.
»Und sehen Sie Ihre Mutter manchmal?«
»Ja, sie hat uns in Berlin besucht. Es imponiert ihr, dass ich eine Karriere begonnen habe und dass mein Vater jetzt gut im Geschäft ist. Er hat ja schwere Jahre hinter sich.«
»Und darum ist es doch schön, dass er jetzt eine Frau hat, mit der er sich versteht, nicht wahr?«
»Ja, ich habe es eingesehen. Und ich werde nicht mehr so unfreundlich sein. Wenn Sie bedenken, dass ich meine ganze Kindheit und die späteren Jahre, abgesehen von den zwei Jahren in Duisburg, immer nur mit meinem Vater zusammengelebt habe. Er war immer für mich da, und ich habe mich oft schlecht benommen. Aber alles, was ich kann, habe ich von ihm gelernt. Nein!« Sie stand plötzlich auf, schob den Stuhl zurück. »Ich werde mich in Zukunft anders benehmen. Entschuldigen Sie, dass ich Sie stundenlang mit meinem Privatleben belästigt habe.«
»Stunden waren es nicht, es war gerade eine Stunde. Und ich denke, dass es gut ist, wenn man mal über Dinge sprechen kann, die man sonst in sich vergräbt.«
»Ja, Sie haben recht. Und mit wem hätte ich darüber sprechen sollen?«
Sie trat ans Fenster.
»Es hat sich eingeregnet.«
»Es wird erst am späten Abend aufhören«, sagte Frau Holm mit Bestimmtheit. Sie kannte sich mit dem Wetter gut aus.
»Ich werde nachher versuchen, meinen Vater zu erreichen. In Berlin ist er, Herr Frobenius hat mit ihm gesprochen. Und wenn er nicht in unserer Wohnung ist, dann ist er eben bei Leonie. Aber die Telefonnummer von ihr habe ich nicht.«
»Sie wissen ja, wie sie heißt. Vermutlich können Sie die Nummer über die Auskunft erfahren. Oder wir rufen einfach Jana an, die möchte sowieso wissen, ob Sie gut angekommen sind und wie es uns geht. Die kann sicher über die Produktion die Telefonnummer von Leonie Winnberg erfahren.«
»Ja, prima. So machen wir es. Jetzt packe ich erst mal aus, und dann werde ich Nelson fragen, ob er einen kleinen Spaziergang mit mir unternehmen will.«
»Wenn es regnet, hält er nicht so viel von Spaziergängen. Und was haben Sie heute Abend noch vor, Geraldine?«
»Ich? Gar nichts. Ich bin froh, dass ich hier mit Ihnen allein bin.«
»Und die Freunde von Alexander?«
»Ich habe wirklich keine Lust, die jungen Leute zu treffen. Wenn Alexander dabei ist, ist das etwas anderes.«
Die jungen Leute, sagte sie. Die Distanz ergab sich ganz von selbst. Die Pferde, ja. Aber sie würde abends nicht mehr mit Alexanders Freunden in einer Kneipe sitzen.
»Herr Frobenius hat mir eine Menge Lektüre mitgegeben. Ob ein Stoff dabei ist, der mir gefällt.«
»Wie war es denn in
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