Kuss des Apollo
Aber das war für ihn kein Grund, nach Amerika zu fliegen. Challier konnte er auch in Paris oder in Berlin treffen.
Seine Sekretärin hatte ihm trotzdem zugeraten. Challier würde sich freuen, und die Amerikaner würde es ärgern.
Darauf hatte er gelacht.
Und die vorliegenden Stoffe überprüft, ob sie für Geraldine Bansa und Raymond Challier geeignet waren oder für sie umgearbeitet werden konnten. Diesen Gedanken schob er jetzt beiseite.
Er würde Geraldine nicht an Challier ausliefern, mochten sie auch noch so gut zusammen gespielt haben. Auch Burckhardt würde er nicht akzeptieren.
Wer sollte dann Geraldines Partner sein?
Einer, der ihr so gleichgültig war wie Alexander.
Das dachte er auf dem Flug über die Nordsee, und er schämte sich dieses Gedankens.
Er ließ sich einen Whisky kommen und kurz darauf einen zweiten. Er trank sonst nie Whisky.
Er wünschte, er bräuchte nie zurückzufliegen.
Und er konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen.
Sein Tag ließ sich nicht mit dem entspannten, friedlichen Tag vergleichen, den Geraldine bei Frau Holm verbrachte.
Mascha
Alexander hatte erwartet, mit Fragen und Vorwürfen empfangen zu werden.
Doch davon konnte keine Rede sein, zu sehr beschäftigte Jana die Veränderung im Hause Frobenius. Evi, die so fröhlich gewesen war, so ausgeglichen erschien und so gern ihre Arbeit tat, war krank.
»Es stimmt ja«, sagte Jana, als sie später am Abend mit Alexander ein Glas Wein trank. »Sie hat nie von früher erzählt. Von ihrem Leben in der DDR. Wenn ich mal eine Frage gestellt habe, ist sie ausgewichen. Sie wurde in der DDR geboren und ist dort aufgewachsen. Allerdings war sie erst zweiundzwanzig, als sie abgehauen ist. Haben wir uns jemals Gedanken darüber gemacht, wie sie das geschafft hat?«
»Nein, jedenfalls nicht ernsthaft.«
»Ein wenig weiß ich jetzt. Sie ist über Bulgarien hinausgekommen. Dort hat sie diese Abtreibung gehabt, an deren Folgen sie immer noch leidet. Anfangs hatte sie gedacht, sie müsse sterben, dann war es seltsamerweise ein russischer Arzt, der sie behandelt hat. Der sie auch seelisch wieder aufgebaut hat. Dann ging es ihr besser. Er hat ihr gesagt, sie müsse lachen, sie müsse über sich, ihr Leben und die übrige Welt zu lachen lernen. Nur so könne sie überleben. Wie findest du das?«
»Nicht schlecht. Man könnte eine allgemeine Regel für ein erfolgreiches Leben daraus machen. Falls es einem gelingt, nach diesem Spruch zu leben.«
»Sie hat gekündigt.«
»Nicht möglich.«
»›Sie wissen jetzt ein wenig über mich und mein Leben, ich bin es nicht wert, in Ihrem Haus zu leben.‹ So hat sie das formuliert.«
»Wann?«
»Gestern. Sie wusste, dass du kommst, und wäre dir wohl am liebsten aus dem Weg gegangen.«
»Warum gerade mir?«
Jana hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Es geht auch nicht nur um dich. Sie möchte auch nicht mehr hier sein, wenn Herbert aus Amerika zurückkommt.«
»Sie braucht vermutlich eine psychiatrische Behandlung. Was ja offenbar dieser Russe schon mit ihr versucht hat. Spricht sie denn Russisch?«
»Perfekt. Dafür hat ihr Vater gesorgt. Der war ein überzeugter Kommunist. Sie hasst ihn. ›Hoffentlich haben sie ihn nach der Wiedervereinigung eingesperrt oder noch besser aufgehängt‹, hat sie gesagt.«
»Na, ein bisschen spinnt sie schon. Wir haben ja nicht einmal Honecker eingesperrt, geschweige denn aufgehängt. Weiß sie, was aus ihrem Vater geworden ist?«
»Nein. Sie will es auch nicht wissen. Übrigens heißt sie nicht Evi, sondern Mascha. Den Namen Evi hat sie nur angenommen, weil sie ein neues Leben anfangen wollte.
»Aha. Evi im Paradies. Die erste Frau, von der geschrieben steht. Das ist doch ganz hübsch ausgedacht. Sie heißt Mascha?«
»Das hat sich wohl ihr Vater ausgedacht.«
»Und der Mann? Es muss doch einen Mann gegeben haben, wenn sie schwanger war.«
»Davon spricht sie nicht. Sie hat nach der Abtreibung eine schwere Unterleibsentzündung gehabt. Sie war vermutlich schlecht gemacht. Und dann hat dieser russische Arzt sie offenbar kuriert. Zurückgeblieben ist jedoch eine gewisse Anfälligkeit. Sie hat öfter mal Probleme gehabt, aber diesmal war es eine schwere Entzündung, sie hat sich gekrümmt vor Schmerzen. Ich habe sie dann in die Klinik gefahren. Das, was ich hier so berichte, habe ich nur nach und nach aus ihr herausgebracht.«
»Wo ist sie denn jetzt?«
»In der Küche. Oder in ihrem Zimmer.«
»Soll ich sie nicht fragen, ob sie ein Glas Wein
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