Kuss des Apollo
du ja erzählt. Ich mache dir einen Vorschlag, Evi. Bleib einfach bei uns. Alexander ist wieder da, wir müssen uns um ihn kümmern. Gesundheitlich geht es dir wieder besser. Und wenn du wieder lächeln willst, dann tue es für uns. Nicht bei fremden Leuten.«
»Hört sich gut an«, sagte Alexander. »Und jetzt lasst uns schlafen gehen.«
»Gute Nacht«, sagte Mascha leise. »Und wir werden nicht mehr davon reden.«
»Wovon?«, fragte Alexander dumm.
Jana schüttelte den Kopf.
»Von dem, was sie uns erzählt hat. Schlaf gut, Evi.«
Alexander ging hinaus in den Garten, blieb eine Weile nachdenklich unter dem Ahorn stehen. Es war immer noch warm, beinahe schwül. Doch er verbot es sich, an Sylt zu denken. Und möglichst auch nicht an Geraldine. Ob sie schon schlief? Dass sie die zweite Nacht im Atlantic verbrachte, konnte er nicht wissen. Und er würde es nie erfahren.
Nach einer Weile trat Jana zu ihm.
»Meinst du, sie wird bleiben?«
»Ich denke schon. Es hat ihr sicher gut getan, mal ein wenig von ihrem Ballast loszuwerden.«
Er küsste Jana auf die Wange.
»Das Schicksal kann verdammt ungerecht sein.«
»Ja, das ist wohl oft so, dass es ungerecht auf der Welt zugeht.«
»Nein, jetzt meinte ich mich. Ich habe eine charmante Mama und habe sie behalten.«
»Und wieso ist das ungerecht?«
»Womit habe ich das verdient?« Er küsste sie auf die andere Wange. »Und nun geh ich schlafen. Sonst fange ich heute Abend noch an zu philosophieren.«
Sebastian
Ein paar ruhige Tage auf Sylt. Geraldine ging mit Nelson spazieren und besuchte am Abend die Pferde auf der Koppel. In den Stall ging sie nicht mehr. Einmal traf sie Dirk, als sie für Frau Holm am Nachmittag noch mal zum Kaufmann ging, um Zwiebeln und Tomaten einzukaufen. Nelson war immer an ihrer Seite. Er setzte sich vor dem Laden artig hin und wartete auf sie. Daran hatte er sich gewöhnt und fand es unterhaltsam.
»Du bist wieder da«, sagte Dirk. »Ich dachte, du wärst mit Alexander abgereist.«
»Ich war einige Zeit weg«, erwiderte Geraldine.
»Und warum kommst du nicht zum Reiten?«
»Ich bleibe nicht mehr lange. Ich habe mir ein wenig Arbeit mitgebracht.«
Um was für eine Arbeit es sich handelte, fragte Dirk nicht. Es interessierte ihn wohl nicht.
»Lass dich wenigstens mal im Stall blicken, solange du noch da bist.«
»Wenn ich das nächste Mal komme, bleibe ich länger und werde ordentlich reiten lernen. Und bis dahin habe ich auch eine Reithose.«
Dirk lachte, sagte Tschüs und ging mit seinen Einkäufen seiner Wege.
Geraldine schloss daraus, dass man sie nicht sonderlich vermisste. Eine richtige Reithose und Stiefel wollte sie auf jeden Fall haben, ob sie nun hier oder in Berlin wieder reiten würde. Es hatte sie immer geärgert, in Jeans auf dem Pferd zu sitzen. Alle anderen waren schließlich passend gekleidet, wie es sich für einen Reiter gehörte.
Es war sehr warm geworden, und Geraldine wäre gern am Meer gewesen, um zu schwimmen. Aber sie musste mit dem Bus nach Westerland fahren, und der Strand war zurzeit voll von Urlaubern, es war nicht mehr so friedlich, wie sie es anfangs erlebt hatte. Auch das Schwimmbad in Keitum, das sie zweimal aufsuchte, war voll, es gab viele Kinder, die entsprechend Lärm machten. Die Ferien hatten wohl im ganzen Land begonnen.
Die Treatments, die Frobenius ihr in Hamburg gegeben hatte, hatte sie brav gelesen, aber es war kein Stoff dabei, der ihr gefiel.
Warum kam
er
nicht und brachte ihr einen Stoff.
Aber er hatte sie wohl längst vergessen. Seit ihrer Ankunft in Paris hatte sie ihn nicht gesehen, und das war ewig her. Und sie war so dumm, dass sie einen jungen Schauspieler, der im Atlantic aus der Bar kam, für ihn gehalten hatte.
Sie würde ihn nie wieder sehen. Es war alles vorbei.
Sie war in einer niedergedrückten Stimmung, sprach wenig, blieb lange im Bett, lag manchmal nachmittags auf dem Liegestuhl im Garten, und wenn sie mit Nelson spazieren ging, dann am liebsten gegen Abend und am Watt entlang, wo sie nicht Gefahr lief, jemanden zu treffen.
Frau Holm betrachtete sie manchmal besorgt. Sie wollte wissen, warum Geraldine denn nicht mehr mit Alexanders Freunden ausging.
»Keine Lust«, sagte Geraldine.
Immerhin überlegte sie, dass ihre ständige Anwesenheit Frau Holm dazu verpflichtete, für sie zu kochen. Dabei hatte sie gar keinen Appetit.
Also begann sie wieder einmal zu schwindeln.
»Ich spaziere heute nach Wenningstedt«, flunkerte sie, »da kenne ich ein hübsches
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