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Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Danella
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gebaut. Mein Vater war unbeschreiblich wütend, als er begriff, dass Lisa in den Westen gefahren war. Sie wurde Lisa genannt, eigentlich hieß sie Elisabeth. Er wollte von mir wissen, was sie zu mir gesagt hatte, aber ich schwieg eisern. Er schlug mich, sperrte mich ein, gab mir nichts zu essen. Doch ich wusste nun, dass meine Mutter nicht wiederkommen würde.«
    »Und was ist aus Lisa geworden?«, fragte Alexander.
    Mascha hatte plötzlich wieder Tränen in den Augen.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist sie tot. Oder noch weiter weggegangen. Nach Amerika oder so. Das kann doch möglich sein, nicht?«
    Nun nahm Jana sie in die Arme.
    Mascha trank mit zwei Schlucken ihr Glas aus. Und sprach weiter, wie getrieben: »Ich hatte nur einen Wunsch. In den Westen zu kommen. Um jeden Preis. Diesen Preis habe ich bezahlt. Als ich dann hier war, habe ich sogar ein paar Mal eine Anzeige aufgegeben. In einer Hamburger Zeitung, in der
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und in einer Berliner Zeitung. Es kam nie eine Antwort. Vielleicht ist sie wirklich tot.«
    »Hm«, machte Alexander. Und füllte die Gläser wieder. Draußen dunkelte es, der Sommerabend verblasste.
    »Was meinst du, wenn du sagst, diesen Preis habe ich bezahlt?«
    »Nun lass sie doch in Ruhe«, sagte Jana.
    Aber Mascha wollte jetzt reden.
    »Als ich neunzehn war, verliebte ich mich. Wir waren längst wieder in Berlin, ich arbeitete als Verkäuferin. Meinem Vater ging ich aus dem Weg. Mein Freund Rudolf studierte, und er wollte auch nur eins: in den Westen. Er hatte Bücher, die er nicht haben durfte, auch betätigte er sich staatsfeindlich, wie das hieß. Er redete wohl manches, was er nicht reden durfte. Er wurde schließlich in Bautzen eingesperrt. Und so, wie ich mir vorher gewünscht hatte, meine Mutter wiederzuhaben, wünschte ich mir jetzt, ihn wiederzuhaben.«
    »Und dann?«, fragte Jana.
    »Dann habe ich den Preis bezahlt.«
    Mascha leerte ihr Glas wieder, vielleicht war sie nun ein wenig betrunken.
    »Es gab einen Freund meines Vaters, auch bei der Volkspolizei, der mochte mich sehr gern. Er versprach mir, er würde Rudolf freibekommen. Wir könnten zusammen über Bulgarien den Ostblock verlassen, er wüsste, wie man das macht. Er wollte nämlich auch nicht mehr in der DDR bleiben. Aber den Preis musste ich zahlen.«
    »Du musstest mit ihm schlafen«, sagte Alexander.
    »Richtig. Und ich wurde von ihm schwanger. Er bekam Rudolf wirklich frei.«
    »Und dann?«, fragte Jana mitleidig.
    »Rudolf war über meine Schwangerschaft entsetzt. Dass es der Preis war, den ich für seine Freilassung bezahlt hatte, interessierte ihn nicht. Er reiste in den Westen aus und ließ mich sitzen.«
    »Und du hast wieder geweint?«, fragte Alexander.
    »Nein. Ich empfand nur noch Hass. Ich habe dann abgetrieben, und den Rest der Geschichte kennt ihr ja.«
    »Ob ich noch eine Flasche hole?«, fragte Alexander.
    »Das tust du«, sagte Jana. »Aber nur wenn du mir sagst, Evi … oder soll ich jetzt Mascha sagen?«
    Evi lachte. »Nein. Natürlich nicht.«
    »Wenn du mir sagst, ob du mich immer noch verlassen willst.«
    Mascha schwieg.
    Alexander sagte: »Will sie nicht. Wir kennen jetzt ihre Vergangenheit. Wir leben ja auch nicht hinter dem Mond und wissen ziemlich gut, was in der DDR alles passiert ist.«
    »Dein Nachname ist Lehmann. Mascha Lehmann also. Und deine Mutter heißt demnach Elisabeth Lehmann. Und eine geborene …«, überlegte Jana. »Wie hieß sie, ehe sie deinen Vater geheiratet hat?«
    »Elisabeth Mohl.«
    »Du hast Anzeigen aufgegeben, sagst du. Wie denn zum Beispiel?«
    »Mascha sucht Elisabeth Mohl. Und einmal auch: Wo ist Elisabeth Lehmann? Anzeigen sind ja teuer, und anfangs, ich meine in den ersten Jahren im Westen, hatte ich kein Geld. Und es ging mir auch gesundheitlich noch sehr schlecht. Wegen der Abtreibung.«
    »Ja, es ist wirklich schwierig, jetzt noch nach deiner Mutter zu fahnden.«
    »Ich verstehe nicht, wieso deine Mutter nie nach dir gesucht hat.«
    »Wo hätte sie mich denn suchen sollen? Ich denke mir, dass sie tot ist. Oder mit einem anderen Mann in Amerika.«
    Jana schüttelte den Kopf. »Du hast verwegene Vorstellungen. Nie hast du mit einem Wort davon gesprochen, Evi. Das verstehe ich nicht.«
    »Ich habe vieles in meinem Leben nicht verstanden«, sagte Mascha leise. »Und Boris sagte damals: Denke nicht mehr darüber nach, versuche ein neues Leben zu finden. Lächle! Sieh mich an und lächle.«
    »Das war der russische Arzt in Bulgarien«, sagte Jana. »Von dem hast

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