Kuss des Apollo
Lokal, da war ich mit Alexander und Jörg. Dort werde ich heute Mittag essen.«
Oder sie erklärte das Gleiche von Archsum und von Westerland, aber sie dachte nicht daran, sich allein in ein Restaurant zu setzen, zumal die meisten zurzeit gut besucht waren. Die Folge war, dass sie immer dünner wurde. Also kaufte sie sich in Westerland eine Fischsemmel, die sie stehend aß, hier und da holte sie sich ein Stück Kuchen.
Jana, die ihre Mutter anrief und sich erkundigte, wie es denn so ging im Hause Holm, bekam zur Antwort: »Schwer zu sagen. Ich glaube, sie langweilt sich hier mit mir allein. Aber sie geht nicht mehr zum Reiten, und im Schwimmbad ist es ihr auch zu voll. Am liebsten ist sie nach wie vor mit Nelson unterwegs. Heute ist sie mit ihm nach Wenningstedt gelaufen, um dort zu Mittag zu essen. Sagt sie.«
»Sagt sie«, wiederholte Jana. »Das hört sich an, als ob du ihr nicht glaubst.«
»Sie ist so furchtbar dünn. Es war ein wenig besser geworden, als Alexander hier war. Mit dem ist sie immer zum Essen gegangen.«
»Und warum isst sie nicht bei dir?«
»Lieber Himmel, das tut sie ja. Aber manchmal ist sie eben unterwegs. Sie kann ja nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen.«
Jana spürte eine gewisse Ungeduld in der Stimme ihrer Mutter.
»Hast du eine Ahnung, wie lange sie noch bleiben will?«
»Manchmal sagt sie, sie wird jetzt bald abreisen. Aber da ist die Geschichte mit ihrem Vater. Das macht sie auch so … ja, wie soll ich das nennen? Es macht sie unsicher. Ab und zu telefoniert sie ja mit ihm, das klingt immer sehr lieb. Aber hinterher hat sie ein trostloses Gesicht.«
»Ja, ja, ich weiß. Thomas hat jetzt eine Frau, und mit der versteht er sich sehr gut. Und viele Jahre lang hat er nur für seine Tochter gelebt. Also pass auf, Mutti. Sobald Herbert aus Amerika zurück ist, komme ich für ein paar Tage. Und ich hoffe, dass es bald wieder Arbeit für Geraldine gibt. Da geht es ihr gleich besser. Gefällt ihr eines der Drehbücher?«
»Keine Ahnung. Sie spricht nicht davon.«
Jedoch genau an diesem Tag wurde Geraldine unerwartete Unterhaltung geboten.
Als sie am späten Nachmittag zurückkam, ziemlich müde, denn sie war weit gelaufen, auch Nelson setzte nur langsam eine Pfote vor die andere, saß bei Frau Holm ein Gast am Teetisch.
»Nanu«, staunte Geraldine. »Wo kommst du denn her?«
»Geradewegs aus Berlin. Dein Vater hat mir gesagt, dass du noch auf dieser berühmten Insel bist. Und da dachte ich, es wird Zeit, dass ich sie auch mal kennen lerne.«
»Die Insel!«
»Richtig. Die Insel der Reichen und Schönen, wie es immer heißt.«
Geraldine sank müde auf einen Stuhl.
»Kann ich auch einen Tee haben?« Und schon griff ihre Hand in die Keksdose, denn sie hatte seit dem Frühstück nichts gegessen.
Sebastian war aufgestanden, trat hinter ihren Stuhl und legte die Hände auf ihre Schultern.
»Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen. Wie ich gehört habe, hat Alexander dich hier zurückgelassen. Und eine Menge andere Verehrer hast du auch. Du gehst reiten und schwimmen, und das ist wohl Nelson, den du ganz besonders liebst.« Er beugte sich herab, küsste sie auf die Schläfe.
Nelson war abwartend in der Tür stehen geblieben. Als er seinen Namen hörte, kam er zwei Schritte näher, machte sich aber nicht die Mühe, den Unbekannten zu beschnuppern, er legte sich einfach hin und seufzte. Müde war er auch.
»Frau Holm hat mich sehr freundlich empfangen, als ich hier so unangemeldet hereinplatzte«, sagte Sebastian und ging zurück zu seinem Stuhl. Einen Blick von Geraldine hatte er noch nicht bekommen.
»Von Hereinplatzen kann man eigentlich nicht sprechen«, widersprach Frau Holm. »Ich war gerade im Garten, als plötzlich ein Herr vor der Gartentür stand und fragte: ›Entschuldigen Sie bitte, wohnt hier Frau Holm?‹«
Sie lachte, Sebastian lachte auch, und Geraldine verzog den Mund zu einem Lächeln.
»Wenn ich nicht willkommen bin«, meinte Sebastian, »dann kannst du es ruhig sagen. Ich trinke nur meinen Tee aus und verschwinde.«
»Ach, red nicht so affig. Du hättest ja anrufen können.«
»Dein Vater hat mir zwar die Adresse gegeben, aber nach der Telefonnummer habe ich dussligerweise nicht gefragt. Und dann habe ich den Wagen irgendwo stehen gelassen und mich durchgefragt. Dieser Ort hat ja eine verwirrende Straßenführung.«
»Du bist mit dem Auto da?«
»Denkst du, ich bin von Berlin hergelaufen?«
»Man kann mit dem Zug fahren, man kann fliegen. Seit wann hast
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