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Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Danella
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Augen zusammen.
    Diesen albernen Flirt werde ich euch versalzen, dachte er. Geri gehört mir. Der alte Trottel soll die Finger von ihr lassen. Er ist immerhin fast fünfzig.
    Ab morgen würde es nur noch Geri für ihn geben. So wie früher. Und wenn der Film geschnitten war, würde er mit ihr verreisen.
    Doch bereits drei Tage später schipperten Geraldine und Walter Burckhardt auf dem Canal Grande.

Der Vater
    Vier Wochen nach Ende der Dreharbeiten kehrte Geraldine zu ihrem Vater nach Berlin zurück.
    Sie hatte Venedig und Florenz kennen gelernt, auch Verona wegen Romeo und Julia, sie war geliebt worden und hatte diese Liebe erwidert, zunächst etwas scheu, aber die Leidenschaft, mit der Burckhardt, ein reifer, erfahrener Mann, sie umarmte, war ganz anders, war viel mehr, als Sebastian ihr damals hatte geben können.
    »Kein Gott könnte je mit einer Frau so glücklich sein wie ich mit dir«, sagte er einmal.
    »Darum warst du auch so gut in deiner Rolle«, erwiderte sie. »Dir wird jeder den Zeus glauben.«
    Doch während sie es aussprach, dachte sie nicht an Zeus und nicht an Burckhardt, sondern an den jungen Griechen, der sie sanft an seinem Körper gehalten und dann geküsst hatte. Sie würde nicht mehr davon sprechen, doch sie wusste, dass es Apollo gewesen war. Wie hätte sich sonst alles so wundersam ihren Wünschen fügen können?
    Es waren schöne Wochen mit Burckhardt, aber es war keineswegs so, dass die Liebe sie überwältigte. Sie konnte sie genießen, ohne sich selbst zu verlieren.
    Nachdem Sebastian sie verlassen hatte, hatte es viele Jahre lang keinen Mann für sie gegeben. Keine Abtreibung, keine Krankheit, es war eine tiefe Depression, sie fing an zu trinken, nur Erfolg im Beruf hätte ihr helfen können, doch der wollte sich nicht einstellen. Sie urteilte erbarmungslos über sich selbst: unbegabt, farblos, langweilig und hässlich obendrein.
    Sie lebte in den folgenden Jahren wieder bei ihrem Vater, den glücklicherweise seine Frau verlassen hatte.
    Mehr oder weniger, man sah sich gelegentlich, ging höflich miteinander um, aber der ewige Streit, der diese Ehe begleitet hatte, war beendet.
    Möglicherweise war diese unglückselige Ehe ihrer Eltern einer der Gründe, weshalb es Geraldine an Selbstbewusstsein, an Mut und Kraft mangelte.
    Der einzige Mensch, den sie in ihrem Leben geliebt hatte, bevor es Sebastian gab, war ihr Vater. Sie war Schauspielerin geworden, weil er es wollte. Von ihm hatte sie alles gelernt, was zu diesem Beruf gehörte: richtig atmen, das Zwerchfell stützen, gute Artikulation und natürlich alle großen Rollen, die sie später spielen sollte. Mit vierzehn konnte sie Schillers Jungfrau und Goethes Gretchen auswendig, genau wie Shakespeares Julia und Hauptmanns Rautendelein. Sie besuchte zwar für ein Jahr eine Schauspielschule, aber viel konnte man ihr dort nicht mehr beibringen.
    Ihr Vater, aufgewachsen in Berlin, kannte das großartige Theater der Vorkriegsjahre, er saß bei Gründgens und bei Hilpert, zwar immer auf den billigsten Plätzen, aber er kannte jeden Schauspieler, und er seinerseits konnte mit vierzehn den Romeo, den Tell und den Egmont auswendig.
    Seine Mutter Dorothea war ebenfalls eine leidenschaftliche Theatergängerin. Sie begrüßte seinen Wunsch, Schauspieler zu werden. Sein Vater hatte Bedenken. Doch der verlor 1943 sein Leben in Stalingrad. Im Jahr darauf schlossen die Theater auf Befehl von Goebbels, und Thomas Bantzer musste als Flakhelfer das Dritte Reich verteidigen.
    Er befand sich im Osten von Brandenburg, als die Russen vorrückten, und versteckte sich sehr geschickt in einer Ruine. Und von hier aus machte er sich später, wieder sehr geschickt, auf den Weg nach Berlin, nur kurze Strecken, nur in der Nacht.
    In gewisser Weise ähnelte sein Schicksal dem von Will Loske und dem von Dr. Frobenius. Aber das konnte er nicht wissen. Er erfuhr es später, als er dank der Berühmtheit seiner Tochter mit den Herren zusammenkam.
    Er fand seine Mutter lebend vor, und sie weinte vor Glück, dass er gesund heimgekommen war.
    Das Haus, in dem sie wohnten, war zwar beschädigt, aber es stand noch, sie hatten Ausgebombte aufnehmen müssen, bewohnten zusammen ein Zimmer, aber das war unwichtig. Sie lebten, der Krieg war zu Ende. Und die Russen waren da.
    Nach der ersten Welle der Gewalt sorgten sie für Ordnung in der Stadt, und dann erweckten sie die Kunst zu neuem Leben. Theater, Film, Oper; »Artista« hieß das Zauberwort, mit dem man bei den Russen landen

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