Kuss des Apollo
gibt es für ihn nicht. Er geht, wie er gekommen ist.«
»Darum ist es langweilig, sag ich ja. Liebesszenen mit den beiden haben wir reichlich. Wir drehen hier doch keinen Porno.«
Das Team amüsierte sich. Diese Unterbrechungen, meist von Geraldine verursacht, kannten sie nun schon.
Und Geraldine gereizt: »Ich finde das nicht komisch. Sondern einfach langweilig. Zeus ist ein Betrüger, das hat inzwischen jeder kapiert.«
Und Sebastian: »Deine Abneigung gegen den Gott hast du nie verhehlt. Das kenne ich von früher. Ich möchte nur mal wissen, warum du dann die Liebesszenen so überzeugend spielst.«
»Ich bin schließlich Schauspielerin. Außerdem«, und nun lächelte sie Burckhardt zu, der sich auf Sebastians Regiestuhl gesetzt hatte, »habe ich einen sehr guten Partner. Der viel von Liebe versteht.«
Burckhardt lehnte sich zurück, lächelte nicht und erntete, wie erwartet, einen bösen Blick von Sebastian.
Das Team blickte vom einen zum anderen. Denn dass Sebastian Klose sich sehr heftig um Geraldine bemühte, war ihnen nicht entgangen. Und dass sie manchmal mit Burckhardt abends zum Essen ging, dass er ihre Hand hielt, wann immer es möglich war, und dass die Liebesszenen wirklich hinreißend waren, auch nicht.
»Können wir jetzt weitermachen?«, fragte Sebastian zornig.
»Nein«, entgegnete Geraldine kühl. »Wir müssen erst überlegen, wie wir die Story etwas anreichern.«
»Willst du das Drehbuch wieder einmal umschreiben? Denken wir an Kleist. Lag er mit seiner Handlung, die nur vor dem Palast spielt, doch nicht so falsch. Da geht es ziemlich rüde zu. Wie bei Plautus schon. Da ist Sosias, der Adjutant oder Diener von Amphitryon, der ahnungslos vom Schlachtfeld nach Hause kommt und nur an eine Bratwurst denkt, weil er Hunger hat. Und wer befindet sich vor dem Haus? Hermes, der Götterbote, in der Gestalt des Sosias.«
Geraldine ungeduldig: »Das wissen wir alles. Du brauchst uns den Kleist nicht zu erzählen.«
»Jedenfalls bezieht Sosias Prügel von dem Götterboten. Und Charis, Sosias Frau, ist auch auf den Schwindel reingefallen, ohne jedoch Liebe dafür zu empfangen. Das muss sich jetzt der echte Sosias vorwerfen lassen. Also es gibt Handlung genug, es wird nicht langweilig. Und es gibt schöne, lange Gespräche zwischen Alkmene und Zeus. Von einem Porno kann bei Kleist keine Rede sein.«
Hier mischte Burckhardt sich ein. »Bei uns auch nicht. Natürlich kommt es Zeus nur darauf an, die schöne Alkmene für diese eine Nacht zu besitzen. Dafür wählt er den Betrug. Insofern hat Geraldine schon recht. Es ist eigentlich eines Gottes nicht würdig.«
»Und was hätte er sonst machen sollen?«, fragte Sebastian. »Wenn er das nun mal kann, in der Gestalt eines anderen aufzutreten, alle zu täuschen, auch die Frau, die er haben will, ja, dann macht er es eben so.«
»Aber es kommt ihm nur auf das eine an. Und nicht auf ein geistreiches Gespräch. Geraldine, habe ich recht?«
»Ja, du hast recht.«
Sie lächelte Burckhardt wieder an.
Und er wünschte alle zum Teufel, er wollte mit ihr allein sein, ihr endlich sagen, was er für sie empfand. Denn außer den leidenschaftlichen Liebesszenen vor der Kamera hatte es nach Drehschluss noch nicht einen Kuss zwischen ihnen gegeben.
»Und was fällt dir noch ein, Geraldine?«, fragte Burckhardt, sein Ton war liebevoll, geradezu zärtlich. Sebastian runzelte die Stirn. Karel Bronski, der nicht mehr hinter, sondern unter seiner Kamera saß, grinste. Er hatte längst erkannt, was sich da entwickelt hatte.
Es stellte sich heraus, dass Geraldine schon etwas eingefallen war.
»Wir sind im Schlafzimmer. Also im Gemach der Alkmene, wir haben das breite Lager, und was auf ihm geschieht, nun schon ausführlich. Und wenn wir keine perversen Szenen drehen wollen, haben wir wahrlich genug von dem liebenden Gott und der doofen Alkmene.«
»Du spinnst ja«, warf Sebastian ein. »Perverse Szenen, davon kann doch keine Rede sein.«
»Eben. Und was machen wir, um etwas Schwung in die Geschichte zu bringen?«
Sebastian runzelte wieder die Stirn. Diese seine Geraldine benahm sich unmöglich. Sie machte ihn vor dem ganzen Team lächerlich.
»Und was denkst du?«, fragte Burckhardt, in genau dem gleichen liebevollen Ton. Er sah sie an. Wie schön sie war. Wie oft hatte er sie nun schon im Arm gehalten. Begieriger als Zeus konnte er auch nicht sein, begierig, sie endlich zu besitzen.
Besitzen, das dachte er wirklich. Das entsprach nicht seinem Wesen, das hatte er
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