Kuss des Apollo
noch nie von einer Frau gedacht.
Und er war eifersüchtig auf Klose. War sie noch seine Geliebte?
»Nun, ich stelle mir das so vor«, erläuterte Geraldine gelassen. »Und das hat Sebastian ganz richtig angedeutet. Vor dem Palast kann ja allerhand los sein. Diese besondere Nacht sollte alle berühren. Ich sitze ja im Palasthof, als Zeus kommt, ich lese, Nikolaos singt, meine Dienerinnen sind auch da. Warum nicht Charis, wir haben sie ja sowieso in der Geschichte drin, ein paar junge Männer sind auch da, der Sänger, die Klarinette, die Gitarre. Nicht jedem wird die Ehre zuteil, mit Amphitryon in den Krieg zu ziehen, das ist nur etwas für bessere Leute. Also kurz und gut, machen wir doch vor dem Palast im Park, in den Anlagen Musik, Stimmung und eben Liebe. Die anderen, die zuvor mit Alkmene dort saßen, treffen sich, küssen sich, schmusen, liegen im Gras. Auch die Musik spielt wieder. Ein bisschen Erotik vielleicht doch, warum sollen sich nur Zeus und Alkmene in dieser Nacht lieben? Auch die anderen, die in diesem Palast wohnen, können ja von dem Zauber dieser Nacht etwas abbekommen.«
Darauf blieb es erst einmal still.
Dann sagte Sebastian, und es klang resigniert: »Du schreibst wieder einmal ein neues Drehbuch. Wie lange sollen wir eigentlich noch an diesem Film drehen? Die Presse lacht schon über uns.«
Bronski sagte: »Eine großartige Idee. Da bekommen wir ein wenig mehr Bewegung ins Geschehen. Immer bloß im Schlafzimmer mit dem Liebespaar, das ist zu wenig.«
Er lächelte Geraldine zu.
Sebastian war verstimmt, es war seltsam, alle am Set mochten seine Geri.
Frobenius, der sich wieder einmal in München aufhielt, sagte am Abend zu Charlotte Gadomsky: »Diese Frau ist mir einfach unheimlich. Wo nimmt sie die Ideen her? Eine unbedarfte kleine Person, eine erfolglose Schauspielerin, mittelmäßig aussehend …«
Charlotte unterbrach ihn.
»Du redest immer dasselbe, mein Lieber. Erfolglos wird sie nach diesem Film nicht mehr sein. Und sie sieht wunderschön aus.«
»Jetzt schon. Wie kann sich ein Mensch in so kurzer Zeit verändern.«
»Ich finde es wunderbar, dass ein Mensch sich verändern kann. Oder sagen wir, sich entwickeln kann. Irgendwie muss Klose das geschafft haben. Es ist halt doch eine lang währende Liebe.«
»Ich habe nicht den Eindruck, dass es zwischen den beiden noch etwas gibt.«
»Es muss etwas da sein.«
Es war etwas da, bei ihm. Sebastian bemühte sich täglich, Geraldine wiederzugewinnen, auch wenn er sich manchmal über sie ärgerte. Aber das ganze Team stand hinter ihr. Und die Atmosphäre am Set war so friedlich, wie er es selten erlebt hatte. Es schien, dass allen die Arbeit Spaß machte, und er gewann mehr und mehr den Eindruck, dass sie alle gespannt auf Geraldines Vorschläge warteten.
Als endlich die letzte Klappe gefallen war, wollte er Geraldine in die Arme nehmen, aber er kam zu spät. Burckhardt hielt sie umarmt, er küsste sie, ganz privat und sehr ausführlich.
Später am Abend, sie hatten in der Kantine noch gefeiert, sie waren so guter Laune, wie es selten vorkam, der letzte Lichtassistent war dabei, sie aßen, sie tranken, sie waren einfach alle glücklich.
Geraldine saß neben Burckhardt, ihre Schulter an seiner Schulter.
»Wo wollen wir hinfahren?«, fragte er. »Wir bleiben nicht in München.«
»Ich müsste zu meinem Vater nach Berlin. Ich habe ihn lange nicht gesehen.«
»Ich fahre gern mit dir nach Berlin. Aber sollten wir uns nicht etwas erholen? Es war eine lange Arbeit. Eine andere Umgebung täte uns gut. Aber sag nicht, dass du nach Griechenland willst.«
Sie lachte leise.
»Ich war noch nie in Venedig«, sagte sie kindlich.
»Das ist eine großartige Idee. Und die richtige Zeit. Die Saison ist vorbei. Wir werden ziemlich allein über den Markusplatz schlendern. Ich kenne mich in Venedig gut aus. Wenn es regnet, könnte es Hochwasser geben. Dann reisen wir weiter nach Florenz. Kennst du auch nicht?«
»Nein. Ich kenne nichts von der Welt. Nicht das, was die meisten Leute heutzutage kennen.«
Er legte seine Hand unter ihr Kinn, bog ihren Kopf zu sich und küsste sie.
Er dachte nicht an seine Frau. Mit ihr hatte er die Hochzeitsreise nach Florenz gemacht, sie wollte partout in die Uffizien. Er dachte nicht an seine Kinder, ein Junge von dreizehn, ein Mädchen von siebzehn.
Er war verhext. Dabei hatte Apollo nur die Hand auf seine Schulter gelegt. Aber daran dachte er sowieso nicht.
Sebastian Klose, der ihnen gegenübersaß, kniff die
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