Kuss des Apollo
Ich habe ihr ein Exklusiv-Interview mit dir versprochen, damit sie nichts darüber schreibt.«
»Worüber?«
»Dass du mit deinem Liebhaber auf Reisen warst.«
»Und du meinst, sie würde nichts darüber schreiben, wenn ich ihr das Interview wirklich gäbe?«
»Sie hat es versprochen. Geheim bleiben wird es trotzdem nicht, auch wenn sie nicht schreibt, wird sie davon reden. Das kann dieser Person niemand verbieten. Außerdem weiß man, dass Burckhardt nicht in Abano war. Ein Reporter der Münchener
Abendzeitung
hat ihn dort gesucht. Er wollte auch ein Interview, wohl wegen der bevorstehenden Arbeit an den Kammerspielen. Aber er konnte den großen Mimen nirgends entdecken.«
»Wenn er eine Kur gemacht hat, wird er wohl nicht den ganzen Tag auf der Straße herumgelaufen sein.«
»Ein Reporter ist imstande, in den Hotels nachzufragen.«
»Vielleicht hat der große Mime ja privat gewohnt.«
»Kinder«, sagte Thomas, »lasst doch den albernen Streit.«
»Wer streitet denn?«, fragte Geraldine. »Wir unterhalten uns nur über die Presse.«
»Ich meine, ihr solltet euch vertragen, weil ihr so einen tollen Film zusammen gemacht habt.«
»Kann sein, dass es ein toller Film ist. Ob es ein guter Film ist, wird man sehen«, sagte Sebastian immer noch giftig. »Ich sitze nämlich gerade im Schnitt. Und ich werde eine Menge Material nicht verwenden. Die Szene zum Beispiel, in der du nackt aus dem Haus läufst und zwischen den Säulen herumtanzt und Burckhardt dir nachkommt und dich wieder zurück in sein Bett trägt.«
»Erstens ist es Alkmenes Bett, und zweitens hat nicht Burckhardt mich getragen, sondern Zeus. Kannst du ruhig schneiden, es sollte ja kein Porno sein.«
»Und wann wird Premiere sein?«, fragte Thomas.
»Wenn es nach Frobenius geht, noch im Januar.«
»Und wo?«
»In Berlin natürlich. Aber die Bavaria möchte lieber München. Also vermutlich machen wir es hier und in München. Wahrscheinlich an aufeinander folgenden Tagen, damit Geri sich in beiden Städten verbeugen kann.«
Dann fragte Sebastian, ob sie mit ihm essen gehen wolle, doch Geraldine lehnte ab. Sie sei müde und froh, wieder bei ihrem Vater zu sein.
»Ich bekomme bei ihm besseres Essen als in jedem Restaurant.«
»Vielleicht besuchst du mich morgen mal«, schlug Sebastian vor.
»Bei deiner Freundin?«
»Ich habe jetzt eine eigene Wohnung.«
»Nicht möglich. Seit ich dich kenne, hast du immer bei einer deiner Freundinnen gewohnt.«
»Wir haben auch schon einmal zusammengewohnt«, sagte er, und nun klang es traurig.
»Wir hatten beide keine Wohnung, jeder nur ein möbliertes Zimmer.«
»Aber deins war größer, und darum war ich meist bei dir.«
Geraldine legte den Kopf zurück und blickte zur Zimmerdecke.
»Wirklich? Daran kann ich mich gar nicht erinnern.«
Doch dann lächelte sie und sagte: »Doch, es fällt mir wieder ein. Es war eine schöne Zeit, jedenfalls anfangs.«
Er stand auf, trat hinter sie und legte die Hände auf ihre Schultern, sie trug wieder den schwarzen Hosenanzug und saß in dem grünen Sessel.
»Sollten wir nicht doch einen neuen Anfang versuchen?« Er sprach leise, und Thomas spürte, dass seine Gegenwart störend war.
Er stand auf.
»Wie wär’s mit einem kleinen Whisky? Ich gehe eben in die Küche und hole etwas Eis.«
»Ich trinke ihn pur«, sagte Geraldine.
Thomas ging trotzdem hinaus, er würde eine Weile mit den Eiswürfeln herumhantieren, damit die beiden Gelegenheit hatten, allein zu sein. Aber er war sich ziemlich sicher, dass Geraldine das Verhältnis von einst nicht erneuern würde. Es würde bei »erledigt« bleiben.
Es sei denn, überlegte er, während er die Eiswürfel in eine Schale plumpsen ließ, der Film würde ein Erfolg. Dann gäbe es vielleicht eine Basis für eine alte und wieder neue Liebe.
Er wurde ein Erfolg. Für einen deutschen Film ein geradezu sensationeller Erfolg. Das lag vor allem an der Beachtung, die der Film in den Medien fand. Die Filmkritiker äußerten sich sehr ausführlich. Es ging vor allem um die moderne Darstellung des Stoffes, um die einfache Sprache, für die man sich entschieden hatte. Manche fanden das gut, eben zeitgemäß, wodurch die alte Geschichte auch bei dem Publikum Zustimmung fand, das wenig oder gar keine Ahnung vom Amphitryon-Stoff hatte.
»Das Wunder dieser Begegnung, der Zauber dieser ungewöhnlichen Liebe bleibt erhalten. Es wird nicht auf flapsige Weise gespielt und gesprochen, wie man es in diesen Tagen oft erlebt. Es ist ein
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