Kuss des Apollo
Kamera fertiggebracht. Frag meinen Vater, er kennt mich länger. Frag ihn, ob ich jemals schön war.«
»Was heißt das schon, schön«, sagte Karel. »Es gibt jede Menge hübscher Frauen, schöner Frauen, du bist mehr, du bist begabt, und das ist mehr wert. Ich war dabei, als wir den Film drehten, und all den Ruhm, den Klose jetzt erntet, hat er dir zu verdanken.«
»Ich hoffe, du wirst das niemals irgendwo laut aussprechen.«
»Es wird davon geredet. Ich war schließlich nicht der Einzige am Set. Was wirst du als nächsten Film machen? Wieder mit Klose?«
Geraldine hob unbehaglich die Schultern.
»Ich weiß es nicht. Es sind ein paar Anfragen da.«
»Nun untertreibe nicht so albern. Ich weiß Bescheid.«
Geraldine sah wieder ihren Vater an, der sich an dem Gespräch kaum beteiligte.
»Am liebsten«, sagte sie, »am liebsten möchte ich wieder Theater spielen.«
»Theater heute! Es ist schrecklich, was die da machen, da geht es beim Film noch vernünftiger zu. Theater ist eine Katastrophe, und das Fernsehen sowieso. Man weiß, dass du Theater gespielt hast, es ist berichtet worden, wo und welch klägliche Rollen. Das ist schon lange her. Was hast du in den vergangenen Jahren getan?«
Geraldine stand verärgert auf.
»Willst du mich ausfragen?«
»Ich stelle nur die Fragen, die die Presse auch schon gestellt hat.«
Jetzt sah er Thomas an.
»Stimmt es nicht, was ich sage?«
»Doch, es stimmt, was Sie sagen, Herr Bronski«, antwortete Thomas in ruhigem Ton. »Und es ist wirklich genug darüber geschrieben worden. Man hat sich gefragt, wie man eine Frau von diesem Talent und dieser Schönheit übersehen konnte. Doch Geraldine hat einfach kein Engagement bekommen.«
»Aha. Und warum hast du keins bekommen?«
»Weil ich eben nicht begabt und nicht schön bin.«
Bronski sah sie prüfend an. Im Moment war sie wirklich nicht schön, sie sah missmutig aus, hatte die Lider über die Augen gesenkt, diese großen, graugrünen Augen, die ihn so entzückt hatten, als er die Kamera auf sie richtete. Und die plötzlich ganz dunkel werden konnten, fast schwarz.
Das überraschte ihn nicht weiter. Er wusste, dass eine Schauspielerin ganz anders aussah, wenn sie arbeitete. Und ganz anders noch, wenn sie schlecht gelaunt war. Und das war Geraldine zweifellos trotz ihres Erfolges. Er hätte den Grund gern gewusst. Wegen Burckhardt, wegen Klose? Oder ging es gar nicht um einen Mann, sondern um die Last der erfolglosen Jahre? So etwas gab es, Bronski kannte sich aus mit Schauspielern, er arbeitete seit vierzig Jahren in diesem Geschäft. Fehlte es ihr einfach an Mut zu beweisen, wie es weitergehen sollte? Fehlte es ihr an Kraft? Trank sie darum so viel?
Sie ging hinüber zu dem Eckschrank, in dem die Flaschen aufbewahrt wurden, und goss sich den vierten Whisky ein.
»Willst du auch noch?«
»Nein, danke, ich bin mit dem Wagen da.«
Ihren Vater fragte sie nicht, er machte sich nicht viel aus Whisky, er hatte ein Glas Rotwein vor sich stehen, aus dem er schon seit einer halben Stunde trank.
Und dann sprach Karel Bronski aus, was er dachte.
»Du hast vorher nicht gewusst, dass du die Hauptrolle in diesem Film spielen wirst. Und dass sie dich berühmt machen wird. Aber merke dir: Einmal ist keinmal. Ob Theater oder Film, wenn aus dir etwas werden soll, dann musst du weitermachen. Und es ist nicht gesagt, dass es jedes Mal ein Erfolg sein wird. Das weißt du, und darum zauderst du. Am liebsten würdest du dich auf längere Zeit, vielleicht für immer, bei deinem Vater verstecken. Aber das geht nicht. Man muss seine Chancen nutzen, gerade in diesem erbarmungslosen Geschäft. Habe ich recht?« Er sah Thomas an.
»Sicher«, sagte Thomas. »Und sie wird schon neuen Mut fassen. Ich versuche ja, ihr gut zuzureden. Und ich bin nicht dafür …« Thomas sprach nun lauter, »dass sie den nächsten Film, wann immer das sein wird, mit Sebastian Klose dreht.«
»Der Meinung bin ich auch. Ich nehme an, es liegen andere Angebote vor.«
»Reichlich.«
»Ich verstehe Klose gut. Diesen Erfolg, den er jetzt hat, verdankt er der Zusammenarbeit mit Geraldine. Das weiß er ganz genau. Und es ist für ihn eine Art Selbstbestätigung, dass er sie wiederbekommt. Möglichst nicht nur als Schauspielerin.«
Geraldine stand immer noch, das halb geleerte Glas in der Hand.
Und sie hatte Lust, das Glas an die Wand zu werfen.
»Habt ihr kein anderes Thema?«, fragte sie gereizt.
»Doch. Mehrere. Aber ich muss jetzt gehen, ich habe noch eine
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